Küchenstile nicht kapiert, die flugmeilenweit von dem entfernt sind, was er in Österreich aufgetischt kriegt. Bei Redzepi waren es fünfzig Prozent der Gäste, wie man hört, die mit dem Menü nichts anfangen konnten, das meiner Meinung nach eines der besten war, die ich mir je einverleiben durfte. Jetzt also Sergio Herman. Das Menü beginnt mit ein paar Happen, wobei zum Beispiel die Kombi von Macarons mit asiatisch gewürztem Krustentier und einem Schälchen Sake oder eine Kombination aus Muscheln und Koriander bemerkenswert sind. Hier machen wir bereits Bekanntschaft mit dem virtuosen Umgang mit Konsistenzen, Temperaturen, Texturen und Aromen, der diese Küche zweifellos eignet. Einmal knackt es, dort erfrischt es, da eine Mousse, dort ein Klecks Sauce, daneben ein Pulver. Langustinos gehören zu den Musts der Erste-Klasse-Küche. Die hier waren besonders gut. Einmal als anschmiegsames Carpaccio, darauf ein Hügel Kaviar, darunter das Fleisch vom Taschenkrebs, ein gelierter Fond und ein grüner Kontrapunkt aus Eisenkraut. Man isst und staunt, staunt auch über das dramaturgische Talent dieses Kochs, der als nächsten Gang wieder Langustinos serviert, diesmal gebraten und einfach nicht besser vorstellbar, mit Tomaten in verschiedenen Größen, Farben und Aggregatszuständen, Minilauch, einem Fond aus Tomaten und Rucola. Maitre Kovar schenkt dazu einen Hammerwein ein, einen 2006 Chante Coucou, Cotes Marmandais, ein Rosé mit den kräftigen Aromen des Cabernet Sauvignons, der uns mit Tisch und Stuhl abheben, eine Runde übers Meer fliegen und wieder landen lässt. Es folgt der Auftritt eines bestens disponierten Bourgogne Blanc von Vincent Dancer, ein schlichter Burgunder, der seine hochpreisigen Verwandten auf die Ränge verweist. Geräuchter Aal passt da sehr gut dazu, er kommt auf einem Beet aus Quinoa und kleinen Gemüsen, Blättern und Blüten. Ein spielerischer Gang, unangestrengt und gerade deshalb gut als Intermezzo zur folgenden Foie Gras. Das essbare Apple-Logo aus Apfel und Gänselebermus kennt die Szene bereits, für mich der einzige Showeffekt im Menü, der mehr witzig als wirklich hervorragend gut ist. Das zweite Gänselebergericht ist dafür so gut, dass man am liebsten mit dem Besteck drin wühlen möchte, eine Gulfstream Five am Teller, die Überfliegerküche des 21.Jahrhunderts. Das Erbsenblütige dazu ein Diskussionspunkt. Ich mag es. Wenn eine Küchenmannschaft auf dieser Flughöhe Wolfsbarsch auf die Karte setzt, darf man erwarten, dass es sich um ein Spitzenprodukt handelt. Der Fisch ist perfekt, wird von einer Sauce aus geräucherter Butter hofiert, daneben ein Stück ebenfalls geräucherter Hummer, Rote Rüben, wieder in verschiedenen Formen und Formationen, Rettich. Zitat der Küche des Nordens. Auch Tauben gehören zur den beliebtesten Fluggeräten der Sterneköche. Diese hier wurde nach der Sous-Vide-Methode gegart und ist ein echter Luxusliner. Ihre Flugbegleiter sind winzige, mit Nougat gefüllte Zwiebelchen, Haselnuss als Creme und Pulver. Und dann ist da der gefüllte, mit Taubenconfit gefüllte, Gnocchi, ein Ding, das dem leichtflügeligen Gericht, das vollkommen auf erdenschwere Saucen verzichtet, große Ernsthaftigkeit verleiht. Ein Schokoladendessert ist endlich einmal nicht buttrig-kakaotriefend, sondern moussig leicht. Das Citrus genannte zweite Dessert lässt uns nach diesem Langstreckenmenü wieder durchstarten und sofort um eine zweite Portion bitten. Gut, wirklich gut Essen und Trinken kann so schön sein, wenn ich mir diese banale Erkenntnis gestatten darf als Ausdruck der mir fehlenden Worte. (ar)
Ikarus
Salzburg Airport
Wilhelm-Spazier-Str. 7A
5020 Salzburg
Tel.: +43 662 2197 77
"Bei Redzepi waren es fünfzig Prozent der Gäste, wie man hört, die mit dem Menü nichts anfangen konnten, das meiner Meinung nach eines der besten war, die ich mir je einverleiben durfte." Ja, leider, das ist eben der Unterschied zwischen den elaborierten und den restringierten Essern. Die restringierten sind entweder einfache Geschmacksprolls und/oder sie haben einfach die Kohle nicht. Man kennt sie ja, die allerorts anzutreffende alleinerziehende Billa-Kassiererin.
AntwortenLöschenNoch eine Frage: müsste der Singular von Gnocchi nicht Gnoccho heißen?
Er müsste. Sie haben mich wieder einmal als Sprachproll, sozusagen als alleinschreibende Billa-Kassiererin unter den Schreibern entlarvt.
AntwortenLöschen