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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Mittwoch, 1. Dezember 2010

Eineneurofünfzig!






Es schneit und schneit. Menschen versuchen verzweifelt, sich und ihre Angehörigen, also ihre Autos, aus den Schneemassen zu befreien. Es wird geschaufelt und geflucht. Ich blicke aus dem Fenster, das natürlich nicht vorschriftsmäßig klimaschützend gedichtet ist, und kriege Lust auf Schweinskotelett. Schwein, eh schon ein klassisches Winteressen, aber es hat es schwer zwischen der 3-Sterne-Schweinebauch-Gastronomie und dem klassischen Schweinebauch, der nichts anderes will als Billigfressen. Ich arbeite mich vor zum Fleischhauer des Ortes und mustere das Angebot. Tatsächlich: sie haben Schweinskotelett, frisch runter gehackt vom Ganzen. Ich sage ja zum österreichischen Schwein und dann sagt die pausbäckige Verkäuferin (sie ist es wirklich - pausbäckig): 1 Euro 50. Innehalten eins: Wie bitte? Ein Preis unter der Armutsgrenze. Da muss ich meine Bestellung noch ein wenig erweitern, sonst machen die kein Geschäft, also ein Stück Käse (Picandou) und - ja - eine kleine Scheibe von der Kalbsleber, weil man ja nie weiß ... Innehalten zwei: wie kann Fleisch so billig sein und kommen Sie mir jetzt nicht mit den Sozialhilfeempfängern, Hartz 4 oder Invaliditätspensionisten mit invaliden Pensionszahlungen. Denn die leben hier nicht. Also nochmals die Frage: wie kann das so billig sein. Das Schwein aus "Niederösterreich", wie die pausbäckige freundliche Verkäuferin sagt, hatte es ein gutes Leben? Ein halbwegs gutes Leben? Ich weiß es nicht, aber ich bezweifle es bei 1 Euro 50 für ein Kotelett. Vielleicht aber auch, dass die Schweinezüchter doch Ethik haben und einfach nicht gierig sind. Ich kann es nicht beurteilen. Also mache ich die Prüfung in Pfanne und Teller. Das Kotelett behandle ich nicht grob, sondern so zärtlich und nachhaltig (das Lieblingswort des Jahres, große Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten und die Umwelt schädigen, lieben dieses Wort) wie - sagen wir - Redzepi eine Karotte. Ich erfrische es mit gehacktem Rosmarin und dünnen Scheiben Knoblauch sowie etwas Mehl. Dann lasse ich ihm eine halbe Stunde Zeit, sich an meine Küche zu gewöhnen. Nachdem ich die Beilage, in der Hand gequetschte Erdäpfeln, die in Butter gebraten werden, nach einer Anregung des großen Robouchon, bereit habe, brate ich das Kotelett in nicht zu heißer Butter an. Butter kann nie zu heiß werden, sonst flippt sie aus, flockt sie aus, wird braun, wollte ich sagen. Natürlich nehme ich Rohmilchbutter, das pasteurisierte Zeug sollten die Supermarktmanager selber essen. Das Kotelett gare ich in der Butter so an die sechs bis sieben Minuten bei niemals zuviel Hitze, gieße zwischendurch mit einem kleinen Schuß Weißwein auf (irgendwas, das gerade offen ist), füge am Ende noch etwas Butter hinzu und fertig. Kein Rezept, das für jemanden, der schon einmal ein Stück Fleisch gebraten hat, überraschend ist. Tut mir leid, aber wofür halten Sie mich? Für einen guten Koch? Haha. Allerdings ist doch weit mehr als der übliche mickrige Aufwand, der mit einem Kotelett um 1,50 betrieben wird, würde ich sagen. Und das Kotelett dankt die Mühe. Das Fleisch sieht gut aus und schmeckt knackig, mürb und einfach sehr, sehr gut. Und das gibt mir Rätseln auf: muss ich jetzt alle Koteletts selber braten um herauszufinden, wie weit sich teuer von billig auch in Geschmack und Qualität unterscheiden? Oder ist es einfach so, dass es ein paar Produzenten und Bauern gibt, die weder ihre Schweine malträtieren noch ihre Kunden abzocken, wie es heutzutage gerne heißt? (ar)


4 Kommentare:

  1. Vielleich haben sich hier auf wunderbare Weise einfach ein paar Komponenten harmonischst zusammengefügt.
    Ein Bauer, fern von Abzockerei (ich muss gleich mal fragen, was das KG Schweinskotelett bei meinem Metzger d. V. kostet), die Zeit der Assimilation, die das Fleisch an die neue Umgebung hatte. Die ungehörigen Robouchon-würdigen Buttermengen. Und die Zeit. Die Zeit macht vieles wett.

    Ginge Dein Versuchwille soweit, den o. g. Vorgang mit einem Stück aus dem Supermarkt zu wiederholen?

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  2. so. schon wieder ich.
    Der Anruf hat ergeben:
    € 9,40 vom Rücken
    € 9,20 Kamm
    € 14,90 vom Rücken, ausgelöst

    Dieser Metzger schlachtet noch selbst, vorrangig die Tiere aus der direkten ländlichen Umgebung.

    Jetzt wäre mal interessant, was Du für ein Stück hattest und wie schwer es war.

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  3. Es war ein leichtes Stück, ich würde sagen, fünfzehn Deka (150 g), gerade richtig. Das mit dem Supermarkt muss ich mir überlegen. Ich will mir meine neu gewonnene Freude am Schweinskotelett nicht gleich wieder abwürgen lassen.

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  4. Also die Deka hättest Du jetzt selbstverständlich nicht mehr für mich umrechnen müssen! ;)) Danke trotzdem! :)

    Das passt doch zu den Preisen von meinem rheinhessischen Landmetzger. Schweinekotlett - auch das Gute - scheint nicht so teuer zu sein.

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