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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Sonntag, 30. Dezember 2012

Was macht die Blutorange in meinem Wein?

Das Jahr geht auch heuer wieder mit einem Höhepunkt zu Ende. Sage nicht ich. Sagte gestern Monika Knoll, als sie eine kleine, handverlesene Gruppe von Weinschmeckern empfing, wie immer um diese Jahreszeit, wenn der Winter die Wachauer Weingärten zum Frösteln bringt, der Wein die ersten stürmischen Zeiten im Fass längst hinter sich hat und es Zeit ist für eine kleine Probe. Emmerich Knoll empfängt uns, wie jedes Jahr, im Keller. Man hat Jacken und feste Schuhe an. Es hat im Keller angemessene Temperaturen und eine Fassprobe ist schließlich kein Frühlingsspaziergang.

Vor einigen Jahren nahm mir der freundliche Veranstalter der Ende-Dezember-Fassproben in der Wachau das Versprechen ab, keine Bewertungen oder sonstige detaillierte Notizen über die Proben zu veröffentlichen. Die Winzer, von denen einige bereits zu Freunden wurden, hätten ihn darum gebeten. Die Bitte gilt es selbstverständlich zu respektieren und so erfahren Sie hier nichts über Lagen, Sorten, weder ob es ein Veltliner oder ein Rieslingjahr wird, noch über Säurewerte und Alkoholgrade. Nur eines erlaube ich mir an dieser Stelle zu sagen: Die bereits im Herbst, als von gesundem Traubenmaterial und nützlichem Wetter die Rede war, geäußerte Vermutung, es könnte 2012 ein so gutes Jahr werden wie sein Vorgänger, war möglicherweise nicht unbegründet. Mehr erfahren Sie hier nicht.

Fassproben überfordern den Taste-Sinn des Weinlaien eigentlich komplett. Und ich oute mich gerne als solcher, freue mich, wenn ich dabeisein kann und sehe zu, dass ich viel von den erfahreneren Kostern und Freunden lerne und wenn mir an einem Nachmittag ein kluger Satz gelingt, ist das schon ein schöner Erfolg. Der Wein präsentiert sich zu dieser Zeit, wenn er gerade acht oder 12 Wochen im Fass war, anders, als er auf der Flasche schmecken wird. Schneller reifende Weine mit weniger Extrakt und Alkohol zeigen schon früher, was sie an Reizen auch in einem halben Jahr auszuspielen haben werden. So manchen Grünen Veltliner, Riesling oder auch Sauvignon blanc möchte ich am liebsten im Umfang einer Flasche zu mir nehmen.

Je komplexer, anspruchsvoller und raffinierter ein Wein am Ende sein wird, der vielleicht erst in einem dreiviertel Jahr oder Jahr auf Flaschen gefüllt wird, desto schwieriger fällt es, ihn einzuordnen. Nach viermaliger Teilnahme an den Fassproben bei den Spitzenwinzern F.X.Pichler, Emmerich Knoll, Anton Bodenstein und beim Kremstaler Martin Nigl bemerke ich leichte Fortschritte. Ich vermag zum Beispiel Rieslinge von Grünern Veltlinern zu unterscheiden. Nein, Sie müssen sich jetzt nicht fremd schämen. Daran scheitern, wenn es um ältere Weine geht, auch viel größere Experten als ich je einer sein werde. Weine sind nämlich Schweine, die mit ihren Trinkern gemeine Spiele spielen und verlassen kann man sich auf sie nicht immer.

Im Keller der Knolls oder im genial schönen Verkostungsraum der Pichlers geht es aber um andere Fragen. Oft ist es die Zitrusfrucht, die auf die Qualität eines Weins rückschließen lässt. Blutorange im Riesling - das ist es. Könnte dann in zwei Jahren wunderbar sein. In zehn Jahren sogar noch besser. Manchmal ist es auch Birne oder Grapefruit. Oder Apfelstrudel, wenn wir einen Wein im Glas haben, aus dem später einmal ein richtig erwachsener Smaragd werden soll. Und natürlich immer wieder Marille und Pfirsich. Viele andere Aromen stellen sich erst mit der Zeit ein. Und bis der Wein dann auf Flasche ist und diese geöffnet, kann noch viel Wasser die Donau runterfließen.

Manche Weinmacher, wie Willi Bründlmayer und manche Weinkenner, wie Klaus Wagner vom Landhaus Bacher, sind der Fassprobe gegenüber eher skeptisch. Es sei zu früh, die Qualität eines Weines zu diesem Zeitpunkt zu beurteilen. Vielleicht steht aus meiner Sicht auch mehr das Vergnügen im Vordergrund, den Winzern beim Erzählen von ihrer Arbeit zuzuhören, was ich tagelang ztun könnte, denn kaum eine Tätigkeit stelle ich mir spannender und befriedigender vor als die im Weingarten - und später im Keller. Schön auch das spielerische Vergnügen, verschiedene Weine aus verschiedenen Fässern oder Tanks zu probieren (die man später so sicher nicht mehr bekommen wird, wenn der Winzer sich einmal für eine Assemblage entschieden hat) und eine Vorahnung zu kriegen, wie gut das sein wird, was man da in Bälde im Glas haben wird. Und die herrliche Abschiedsjause bei Monika Knoll, bestehend aus Butterbroten mit Käse und Wachauerlaberl mit Schinken, alleine sie ist schon die Reise die Wachau wert.

(ar)



Donnerstag, 13. Dezember 2012

Familienangelegenheit

Wenn das Hubertus-Team aus Filzmoos nach Schützen reist, darf man sich auf einen speziellen Abend vorbereiten. Johanna Maier und Söhne als Gastköche im Taubenkobel. Es sollte ein Fest werden und genauso wurde es. Der Vorweihnachtsurlaub sei heuer größtenteils entfallen, erzählte sie mir. Man habe an neuen Gerichten gearbeitet. Im Taubenkobel war die Karte fast zu klein für die Anzahl der Gänge, die Johanna Maier aus Filzmoos mitgebracht hatte. Gewohnte Präzision in Aromagebung und Zubereitung für einen bis zum Platzen gefüllten Taubenkobel.

Die Weinversorgung hatte Dietmar Maier übernommen, darunter ein Hit - die Rotweincüvée Johanna Maier 2011 von Weingut Gager. Memorabel eineklare Suppe vom gerade von Dietmar Maier in der eigenen Jagd geschossenen Rehkitz, eine Foie Gras mit geräucherter Entenbrust und Brioche,  Kombination von Saibling, roter Rübe und eingelegter Zitrone, der mit ungeheurer Sensibilität gebratene Waller mit geräuchertem Aal.

Der Saucenlöffel war auf meinem Tisch im Dauereinsatz Hier darf kein Tropfen zurückgehen an die Küche. Ich möchte so etwas wie die Sauce zum bretonischen Hummer, gebraten in der Schale, was den Zartheitsfaktor signifikant erhöhte, gerne als letzte Sauce meines Lebens haben, dachte ich. Denke ich auch heute noch. Ein Feuerwerk, neben dem der gebratene Hirsch mit Schnittlauch und wieder einer Sauce aller Saucen dann doch etwas blässlich wirkte. Wie nennt man das? Jammern auf Spitzenniveau! In die Butter zum hausgemachten Gebäck hatten sie gerade im Wald gepflückte Trompetenpilze eingearbeitet. Ein Sorbet aus Zitronen mit frischem Ziegenkäse einen Gang zu früh serviert. In Filzmoos wünsche ich mir das statt vorm Hauptgang als Predessert. Das Dessert selbst, eine Minaturschaumrolle, dann große moderne Patisserie. Es war mehr als ein Glas vom Guten, das die Familien Eselböck und Maier nach dieser gelungenen Performance miteinander leerten.

(ar)







Mittwoch, 12. Dezember 2012

Kannst du Trüffel?




Noch ein paar Tage oder Jahrmillionen bis zum Weltuntergang heißt, dass man sich beim Trüffelverzehr ordentlich ranhalten sollte. Für den Freund der Weißen aus Alba ist jeder trüffellose Tag verlorene Zeit. Deren gab es diesen Herbst leider einige, denn gemeines Schwein, Gottes Wetterassistent im Himmel, ließ es lange nicht regnen und zu warm sein. Was den Trüffeln im Piemont nicht gefiel und ihren Preis im vergangenen Herbst in alle möglichen Höhen schraubte. Dann hatte Gott doch ein Einsehen mit seinen Schäfchen (Sitz des Vatikans übrigens Alba) und wie dann das Wetter wieder stimmte, sanken auch die Preise.

Nun könnte man meinen, dass es ja nichts einfacheres gäbe, als sich am Trüffelmarkt, am Naschmarkt oder beim Meinl mit einer Knolle einzudecken und zu Hause ein Gericht zu machen, das den Trüffelesser dann vor Freude jauchzen lässt und mit der Gabel an die Baroloflasche trommeln. Ist aber nicht so einfach. Es gibt einige Fehler, die man beim Kochen zu weißen Trüffel machen kann und viele davon werden in Österreichs und anderen Restaurants gemacht, manche hat man schon selbst nachempfinden können. Du musst einmal mit dem Trüffelhobel so umgehen können, dass die Dicke der Scheiben gerade recht ist.

Schneidest du die Trüffel zu dick, ist es schade und wirkt lächerlich. Schneidest du sie hingegen zu dünn, kommt es im Trüffelhobel eventuell zu einem Stau und du fabrizierst ein Amalgam aus Trüffelschnitzeln. Buh-Rufe aus dem Esszimmer. Auch Nudelmachen will gelernt sein und an einer schlichten Eierspeis sind schon einige Kaliber gescheitert. Mit der molekularen Küche hat die weiße Trüffel genau nichts am Hut, auch ist ihr nicht ganz klar, warum sie über Fisch oder Krustentiere gehobelt werden soll. Machen im Piemont übrigens nur die wenigsten, dafür aber Ducasse in London, der dafür von Abramovich ein Sonerlob bekommt. Sie fragen sich nun, warum ich hier so lange herumschreibe, wo die Zeit doch möglicherweise knapp wird bis zum Armagedon, deshalb kurz auf den Punkt gebracht: Bacco.

Das kleine Lokal in der Margaretenstraße ist die Kirche, der Priester hört auf den Namen Alberto Stefanelli und statt Hostien reicht er Crostini mit Hühnerleber und Salsicce. Jetzt gibt es für Süchtige Spiegeleier in Minipfännchen, Tagliolini, Polenta und darüber gehobelt das gute Zeug, das Alberto über geheime Wege nach Wien bringen lässt, weshalb er sich auch bei der Kalkulation nicht so unheimlich schwer tut wie der Rest der Wiener Gastronomie. Alberto kommt aus Montecatini und hat heraußen, was zur Weißen Trüffel gehört, nämlich Teigwaren und Eier, aber auch Weizen und ganz hie und da Gemüse. Es muss nicht Fleisch sein und schon gar nicht Fisch. Und es muss guter Wein dazu sein und nicht zu wenig.

(ar)

Bacco, Margaretenstraße 36, 1040 Wien
T 01 5856692

Samstag, 1. Dezember 2012

Übers Gebirge zum Martini-Ereignis

Diesmal verzichte ich auf die Benutzung der U-6, denn weit würde ich eh nicht kommen auf meinem Weg nach Schützen im Gebirge. Die U 6 fährt nämlich nur nach Siebenhirten, von dprt ginge es dann per Autostopp weiter und ich bin mir nicht sicher, ob es in Siebenhirten viele gibt, die den Weg nach Taubenkobel-Dorf wissen. Dort arbeiten Walter Eselböck und Alain Weissgerber und wie auch zu anderen Zeiten im Jahr interessiert es mich, was sie tun. Martini ist und man wird also eine Gans zu sich nehmen, wie immer an diesen Tagen in mehreren Happen, das ist so geplant und bekannt. Um sich auf den Eindruck des Martinischmauses einzustimmen, fahre ich dieses Mal schon einen Abend früher nach Schützen. Die Küche lässt herrliche Sachen auffahren und alle sind guter Dinge.

Puntarelle und Rippchen

Ich erinnere mich an ein mit zarten Kutteln unterfüttertes Gericht von einem fast rohen Saibling, auch die gerade schwer in Mode geratenen Puntarelle gibt es, was mich aber nicht stört, denn Puntarelle trauen sich in Österreich eh nur die besten Köche zu (Reitbauer, Eselböck, Weissgerber, Dorfer ...). Die wirkliche Sensation ist aber das 24 Stunden geschmorte Rind, das Weissgerber höchstpersönlich vor den Gästen Rippe für Rippe zerteilt. Er braucht dazu kein Messer, sondern das Teil nur einfach einmal scharf anzuschauen, schon teilt es sich wie das Wasser zu Moses Zeiten. Mit einen paar appetitgrünen Tupfen Brunnenkressepüree versehen und ordentlich Rindermark belegt gerät dieses Rind zum Ereignis. Der kleine Germknödel mit Vanillesauce und gelben Rüben schmeckt wie Kindheit ohne Mikrowelle, Schifahren und Hausaufgaben. Man schläft ausgezeichnet danach.

Fahrlässiger Verzicht auf Scherpas

Ich erwäge eine kleine Wanderung am nächsten Vormittag, um zu Mittag die vollkommene Aufnahmefähigkeit für das Biogansl des Paradeiserkönigs Stekovics erreicht zu haben. Obwohl die Wolken tief hängen, macht sich eine kleine Seilschaft auf, um den Goldberg zu erklimmen. Unser Weg führt uns an mehreren Basislagern vorbei Richtung Gipfel. Nach einer Zeit bereuen wir die Entscheidung, keine Scherpas engagiert zu haben, denn ein Stück Pastete mit einer Flasche Sprudel würde sich gut machen zur Stärkung während des großen Anstiegs. Später hängen wir in der Oggauer Nordwand und nur die Tatsache, dass es Zeit wird fürs Mittagessen, hält uns davon ab, die letzte Etappe auch noch hinter uns zu bringen.

Diese Leber ist sinnvoll

Es gibt die guten und die besten Teile vom Gansl, allen voran eine vorzügliche Foie Gras (wohl eher aus dem Elsass oder Ungarn), mit Birne und Drum und Dran, dann die beste aller klaren Gansl-Consommés mit Haschéepalas und einem Stück rohmarinierter Leber, einem denkwürdig guten Bissen Essen, sowie eine Pfanne mit gefülltem Gänsehals, Magen, Herz und ein vortrefflich als Idealbeispiel geeignetes, knuspriges Gansl mit Fülle. Dieses Ganslessen war an sich schon ausgezeichnet. Doch besonders gut hat es der Seilschaft geschmeckt, weil die Besteigung des Goldbergs ihren Appetit beflügelte.
(ar)

www.taubenkobel.at




Sonntag, 11. November 2012

Mit der U6 und der ÖBB zum Martinigansl

In den früheren falstaff-Magazinen gab es immer eine lustige Serie, die ich nicht gleich kapierte. Sie hieß "Mit dem Audi XY oder dem Mercedes Soundso ins Landhaus Irgendwie". Erst nach einer gewissen Zeit kapierte ich: Der Herausgeber ließ sich von einer Autofirma einen kulinarischen Ausflug in ein Spitzenrestaurant oder Schloss bezahlen. Mich langweilten die seitenlangen Beschreibungen von Kupplung und Lederpolsterung, das Essen kam viel zu kurz dabei. Heute muss ich wieder einmal feststellen: Die Zeiten waren damals besser. Viel besser. Denn wo ist die Firma, die mir zum Beispiel eine Limo samt Chauffeur sponsert, damit ich nach der Arbeit zum Sodoma nach Tulln fahren kann. Es gibt nämlich Gansl jetzt und mein Verdacht, dass es sich dabei ums beste Martinigansl in Österreich handelt, ist begründet.

Ich fahre also öffentlich, schließlich will ich den Sodomaschen Weinkeller auskosten und wenn ich den Wagen nehme, bereitet mir schon der Gedanke an die kriegsähnlichen Verkehrskontrollen und die Uniformierten mit ihren lächerlichen roten Kellen Sodbrennen. In der U6 eine Frau mit blauem Auge und ihr Kind. Ich muss sie leider anstarren. In Michelbeuern steigen mehrere junge Herren zu, Kebab essend. Innerhalb von Sekunden stinkt es im Abteil nach Zwiebeln und altem Fleisch. Seltsam auch, wie viele Menschen das U-Bahn-Fahren offensichtlich als eine Art von sportlicher Betätigung betrachten. Warum sonst würden vor allem die Männer in Trainingsanzügen (glänzend) unterwegs sein.

Umsteigen in den Regionalzug in Spittelau. In der Station geballtes Auftreten von Pizza & Kebab, Gerüche nach Fett, Zwiebel, Käse und altem Fleisch. Das Beobachten der Leute, die sich an den Standeln anstellen und dann gleich im Stehen essen oder in den Zug steigen, löst in mir seltsamerweise keine Gefühle aus. Die Fahrt mit der Bahn von Wien nach Tulln kann man nur empfehlen, die Mitnahme eines Fläschchen Weins als Stärkung und Verstärkung der Vorfreude allerdings auch. Über den Sodoma gibt es nicht viel zu erzählen, was nicht schon gesagt wurde. Ein Haus, für das fast jeder Anreiseaufwand gerechtfertigt ist. Natürlich müssen wir die letzten hundert Meter rennen, um den Zug für die Rückreise zu erwischen. Zu lange mit Pepi Sodoma geplaudert. Das Rennen ist keine leichte Sache, mit Gänseleberparfait, Ganslsuppe, Gans mit Erdäpfelknödel und Speck-Krautsalat, Maroni-Nachspeise sowie mehreren Flaschen Wein im Ranzen. Die Fahrt, begleitet vom letzten Glas Riesling Smaragd 2005 vom Hirtzberger vergeht wie im Flug. Gut gestärkt betreten wir die Stadt Wien.

(ar)




Samstag, 3. November 2012

Die Nullnummer von Turin

Red Alert für Esser unterwegs. Das Restaurant Combal.Zero wird im Michelin als bestes Restaurant der Stadt gepriesen und auch der San Pellegrino-Liste wird es als einer der hundert besten Restaurants der Welt geführt. Beide stellen damit wiederholt ihre Fehlbarkeit unter Beweis. Allerdings weiß ich das erst nach meinem Besuch, eine Erfahrung, die ich anderen gerne ersparen würde. Immer im quälenden Bewußtsein gefangen, kulinarisch etwas zu versäumen, bitte ich also per e-mail um einen Tisch. Da es das Wochenende des Salone del Gusto ist, wähle ich den Mittag als Zeitpunkt. Während alle im Salone sind, sollte ein Mittagstisch zu haben sein. Auf mein e-mail erhalte ich keine Antwort. Zero. Das hätte mir zu denken geben sollen.

In Turin angekommen, reitet mich der Teufel, und ich versuche es noch einmal im Combal-Zero. Diesmal per Telefon. Oh, sagt der freundliche Maitre, man hätte ja am Samstag mittags gar nicht auf. Wäre schön gewesen, wenn man mich darüber informiert hätte, meine ich. Ich lasse mich auf die Warteliste für den Abend setzen. Zehn Minuten später werde ich von der Warteliste auf die Reservierungslist upgegraded. Das gibt mir nicht zu denken. Mit dem Taxi sind es 40 Euro in den Vorort, wo das Combal.Zero neben einer mächtigen Burg hingestellt wurde, in der sich ein Museum für moderne Kunst befindet. Auch der Chef des Combal.Zero wird zur kochenden Avantgarde Italiens gezählt. Zahlreich anwesend sind im Restaurant die Damen und Herren im Service, der Ausblick auf die Stadt ist bemerkenswert. Er wird in Folge vom Blick auf die Teller ablenken, auf denen großteils lanweiliges Deja-Vue die Hauptrolle spielt.

Der Champagne ist immerhin von Drappier, einem kleinen, aber sehr guten Haus. Das macht mich zuversichtlich und ich sagen "Was kost' die Welt" und nehme das Signature Menü um 210,-. Zum Aperitif gibt es ein etwas eigenartig pappiges Parmesanmus. Das gibt zu denken. Auch das Amuse Bouche ist eher brav. Wenn Sie mich jetzt fragen, ich habe vergessen, woraus es eigentlich bestand. Irgendetwas mit Muscheln. Der erste Gang bringt rohe Garnelen aus Ligurien, ein sehr gutes Produkt, auf Morcheln, die mit einem Mus aus Foie Gras gefüllt sind. Der Pinselstrich aus grüner Creme verrät, dass wir es hier offenbar mit moderner Kochkunst zu tun hat. Ein klarer Fond verleiht dem Gericht Schliff, auch wenn die Gabe von Morcheln im Spätherbst etwas unzeitgemäß macht. Auch schwarze Perigordtrüffel haben gerade nicht Saison.

Ein Teller mit sechs Gemüsen in verschiedener Zubereitung ist der so genannte Signature dish des Hauses und gleichzeitig eine ausgesprochene Lächerlichkeit. . Unter einem Blatt Lollo Rosso, der etwas Totes an sich hat, eine Schnecke. Wie originell. Ein Paprikagelée mit knusprigem Seegras okay, alles andere unspannend und mit wenig Engagement zubereitet. Hat dieser Koch noch nie etwas davon gehört, was man heute aus Gemüse macht? Sind ihm die Namen Passard, Redzepi oder auch Reitbauer nicht geläufig, dass er sich traut, mit so einem Teller vor den Vorhang zu treten? Der nächste Gang bringt rohes Kalbfleisch aus dem Piemont, das wunderbar zart ist, aber in seiner Kombination mit Paradeisern und etwas Gebackenen, das ein Steinpilz sein könnte, eher blass bleibt. Die Weinempfehlung übrigens ist kompetent, aber leider hat den Herren und Damen in Schwarz niemand erklärt, dass es nicht gut kommt, wenn der Gast immer wieder vor leeren Gläsern zu sitzen hat, weil niemand ans nach schenken denkt.

Spaghetti mit grünem Pulver aus trockenem Pesto. Zeitreise an den Anfang des Jahrhunderts, als solche Spielereien als Ausweis von Originalität galten. Immerhin sind die Nudeln perfekt gemacht und werden witzigerweise als Miniportion in einer Kaffeetasse serviert. Ich hätte gerne mehr davon, damit ich vom anderen weniger essen kann. Aber wir sind ja nicht zum Spaß hier. Ein Gang macht mir besonders Vergnügen, ja, erfüllt mich mit Hoffnung, es könnte doch ein gutes Essen werden. Es ist etwas aus Schwein, ich hab den Name vergessen. Und dann Sardine gebraten mit Kalb, es hätte gut sein können, dass das gut ist. Die Sardine ja, das unessbar zähe, gekochte Kalb leider nicht. Die Hälfte des Ganges geht zurück. Aus der Küche keine Reaktion. Phantastisch präsentiert und in der Tat gut das Käseangebot. Käse als Rettung. Die engagierte Servierdame serviert dazu alten Marsala. Mir gefällt das und sollte mich etwas jemals wieder in dieses Restaurant verschlagen, erwäge ich die Bestellung einer Flasche Champagner, dann einer Flasche Roten aus dem Piemont und eines Käsebrots.

Was ich Ihnen nicht unterschlagen kann, ist der Bericht über die Nachspeise. Als Pre-Dessert ein Luftballon aus der Molekularabteilung, gefüllt mit an Campari erinnernde Flüssigkeit. Serviert in einem Beutel mit Smarteis, an dem ein echter Luftballon hängt. Sie müssen sich das jetzt vorstellen, wie die Serviermenschen mit zwei Dutzenden Luftballons durchs Lokal schweben und an jedem der Tische (das Restaurant ist übrigens restlos ausgebucht, immerhin) landen und wie die Leute dann doch eher entgeistert auf diese Idee schauen. Der Molekulare Ballon leistet Widerstand im Mund. So sitzen die Gäste jetzt verzweifelnd und etwas ratlos kauend, über ihnen blaue und rote und gelbe Luftballons schwebend und es ist ein Bild für Götter. Vielleicht sitzt der Küchenchef des Combal,Zero ja vor einem Monitor und beobachtet seine Gäste, wie sie an zähem Kalb und an sphärischen Ballons würgen, und zerkugelt sich.

(ar)

www.combal.org

Montag, 29. Oktober 2012

Turin, dritter Tag























Mit der Zeit fühle ich mich zu Hause, irre nicht mehr planlos übers Gelände auf der Suche nach dem Messeeingang oder dem Pressroom oder dem Zelt, wo es die herrlichen neapolitanischen Pizzen und die frittierten Mini-Rougets gibt. Ich weiß, dass ich im ersten Saal die Abteilung Veneto finde, wo man 36 Monate gereiften Prosciutto bekommt, dass es im Saal 2 die Toskana-Abteilung gibt, dass das herrliche Bier (eines von vielen herrlichen Bieren) gleich eine Straße hinter dem Stand mit den Schweineabfällen zu finden ist, dass im dritten Saal in der Abteilung Puglia (3F) unglaubliche Dinge warten, herrliche Paradeiser aus dem südlichsten Zipfel des Stiefelabsatzes, angeboten von einer hübschen Dortigen, famoses, viel zu günstiges Olivenöl, Extremkäse (ein in einer Mozzarellahülle eingepackter Ricotta, man muss heulen vor Freude), eine Unglaublichkeit namens Thunfisch und die geilsten Orangen und Pfirsische aller Welten. Plus Hartkäse mit Waffenscheinpflicht, die alle Schleimhäute attackieren, so scharf sind sie. So wie ich auch weiß, dass der Stand mit der Foie Gras de Canard gleich fünf( Schritte weiter von dem mit dem Schwarzfederhuhn aus den Pyrenäen liegt, wo es Pommeau gibt, einen Pineau de Charentes auf Apfelbasis, was bezwingend gut schmeckt. Allerdings hat mir ein anderer Foie-Gras-Macher erklärt, dass man deshalb gerne süße Weine zur Stopfleber serviert, um Fehler in der Qualität oder Zubereitung zu übertünchen. Ihr seid entlarvt, mittelmäßige Foie-Gras-Macher! Eine ebenfalls interessante Beobachtung: Wenn du bei einer Verkostung bist oder dir gerade einen Teller mit ein paar Scheiben rarsten Schinken gekauft hast, wachsen plötzlich neben dir Hände aus dem Nichts, die danach tasten und greifen. Nicht nur einmal hatte ich fremde Finger auf dem Fett meines Jabugos! Die letzte Veranstaltung des Tages bereitet mich geistig auf die Rückkehr nach Wien vor. Eine Handvoll beherzter österreichischer Produzenten bittet zu einem Labor des Geschmacks, oder wie die Workshops heißen. Wiener Schnecke, Beinschinken, Edelsaurer, Gemischter Satz. Nach dem Thumschen Schinken werden die Italiener vielleicht nie mehr etwas anderes wollen, beim gemischten Satz, obwohl sehr gut, eventuell nicht unfroh, dass sie das nicht täglich trinken müssen. Die Säure. Warum ein Wein, der nicht eben selten ist und als Basis für den unsäglichen Wiener Heurigenspritzer dient, das Presidio-Label verliehen bekommen hat? Nicht nur ich frage mich das. Abends außer Gefecht gesetzt. Es handelte sich um einen hinterfotzigen Anschlag mit umbrischen Bohnen und er traf mich vollkommen unvorbereitet. Die Turiner Gastronomie muss also diesmal ohne mich auskommen. Es kann nicht immer super sein, Amici.

(ar)

Sonntag, 28. Oktober 2012

Turin, zweiter Tag













Alleine die Toskana-Abteilung auf dem Salone des Geschmacks ist so groß, dass Österreich darin locker zwanzig Mal Platz hätte. Soviel muss gesagt werden zum Feinkostladen Europas, wie unser Land einmal von einer Lächerlichkeit namens Landwirtschaftsminister bezeichnet wurde. Das Thema Paradeiser wird hier rauf und runter gespielt. Glücklich, wer sich eine Tonne von den Säften, Saucen und Einlegearbeiten in Rot mit nach Hause nehmen kann. Überlege, meinen Koffer zu leeren. Entdecke wunderbare Mortadella, nie zuvor gegessen, staune über ein Gericht aus Schweineabfällen, das aus dem Dorf Grotti im Süden der Toskana stammt. Sogar Bier können sie besser als wir. In Puglia ist jeder zweite Paradeiser, jeder zweite Käse mit dem Slow-Food-Presidio-Siegel ausgezeichnet, sozusagen das UNESCO-Welterbe unter dem Essen. Zwischendurch eine kommentierte Vermentinoverkostung und ich notiere: Du musst bald in die Marken. Oder ein Vortrag über Migration und Essen. Vieles, was für uns - und sogar die Menschen in Italien - typisch italienische Küche bedeutet, manifestierte sicher sich erst im Zuge der Auswanderungswelle nach Amerika, wo in Little Italy Pizza und Pasta zum kulinarischen Alltag gehörten. Dann lerne ich Slow Food-Youth kennen, internationales Netzwerk von engagierten jungen Foodies. Sie sagen Food is rock. Erkläre das einmal einem durchschnittlichen österreichischen 25-Jährigen, der sich gerade die kalte Tiefkühlpizza reinzieht.  Das statistisch erwartbare Desaster in der Sternegastronomie ereilt mich am späten Abend in einem turiner Vorort. Im Combal.Zero kochen sie so lächerlich schlecht, dass darüber noch gesondert zu reden sein wird.