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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 17. Dezember 2010

Kompliment, küss die Händ'.





Die Eröffnung des Jahres. Das Restaurant des Jahres. Oder des Tages. Die Vorschußlorbeeren, die die PR-Heinis dem Westermann-Loft (Loft: was für ein Name!) aufsetzten, hätten gereicht, um mehrere Hektoliter Kaninchenragouts damit zu würzen. Kaninchen gibt es übrigens nicht im 18.Stock des sich nobel einführenden Sofitel, wo ich beim Aussteigen aus dem Taxi mit "Bonjour" begrüßt werde, was mich aufwachen lässt in einer kosmopolitischen Stadt, die ich in Wien gar nie vermutet hätte. Der Lift ganz nach oben ist schwarzlackiert, was den smashing Effekt der Aussicht im freiloftigen Restaurant noch eben steigert. Auf Wien und die Wiener herunterblicken, das können die Franzosen einfach wunderbar gut. Matchbox-Straßenbahnen, Minimenschen, Blick und Einblicke auf alle Dachterrassen der Innenstadt. Herrlich stelle ich mir meine Nachmittage vor, mit großem Teleobjektiv, so dass James Steward in Rear Window ein Witz ist gegen mich. Und während man hinaus- und also auch hinunterschaut auf die Menschen, die hier nicht essen und trinken, gibt es auch noch zu essen und zu trinken. Antoine Westermann war legendär in Straßburg, sein Bäckeoeffe brachte Siebeck zum Schwärmen. Sein Schüler kocht jetzt die von Westermann konzipierte Karte durch und macht seine Sache gut. Nicht hervorragend, nicht weltbewegend, sondern gut. Und das ist nicht schlecht am dritten Tag nach dem Aufsperren. Eine Paté en croute, klassisch, richtig. Eine Gänseleber mit Mohn gebraten, vielleicht etwas zuviel davon, vom Mohn, nicht vom braten, etwas Salat und sehr vergnüglich. Der bretonische Hummer ist wie er sich gehört (franz.: comme il faut), also richtig glasig und befindet sich in anregender Gesellschaft von knackigen Karotten, dem Modegemüse der nächsten Jahre, etwas Magreb-Würze mit kleinen Rosinen und Salat, sehr fein. Wie sehr lieben wir doch Froschschenkel. Und noch mehr die Reaktionen der politische korrekten Esser auf dieses ungeheuerliche Essen, so sie sich nicht schon beim Wort Gänseleber mit ihren moralischen Sprenggürteln selbst in die Luft befördert haben. Diese Schenkel sind gekonnt, schön gekräutert und gebuttert und keine Spur von zäh. Dazu gibt es mit Honig konfitierten Zwiebel (habe ich das jetzt richtig geschrieben?) gefüllte Ravioli und wie schon gesagt: du beurre, du beurre, du beurre. Westermanns Wiener Schnitzel findet der Kritikerkollege zäh (er saß an einem anderen Tisch), der Herr Fuhrer hingegen wunderbar: ein hauchdünnes Teil, als hätten sie es zum Plättieren mal kurz aus dem achtzehnten Stock geworfen, paniert, dazu gehacktes Ei, Sardelllen, Butter, hä, was machen die da mit dem Wiener Heiligtum? Preiselbeeren für die deutschen Heim-ins-Reich-Kehrer haben wir uns ja noch gefallen lassen, aber jetzt kommt der Franzmann mit Kapern und gehacktem Ei. Das geht dem Wiener zu weit. Oder vielleicht auch nicht. Denn zuvor muss er sich vom Schock erholen, dass es sein Hendel (aus dem Sulmtal) nicht gebacken gibt, sondern blass und knackig mit Erdäpfel, Lauch und schwarzen Trüffel nach dem Vorbild des elsässischen Bäckeoeffe. Das schmeckt schlabber schlabber gut, man tunkt nach mit dem köstlich knusprigem Baguette, noch ein Stück vom Huhn, herrlich, gut. Doch: die Sauce könnte mehr Charakter haben. Vielleicht muss man am Wein noch arbeiten. Wunderbar das Orangensoufflé mit einem Granité auf Grand-Marnier-Basis. Okay die Naschereien zum Kaffee. Der Marteen d'Hotel und seine Entourage führen das Lokal schon ziemlich perfekt, führen auch die Stammgäste aus anderen Ebenen in den 18.Stock so ein, als gäbe es das Loft schon seit Jahren. Man wird dem Restaurant, auf das Wien jetzt lange gewartet hat, noch ein bisschen Zeit geben müssen da und dort. Das ist die übliche Vorgehensweise. Aber klar ist, wenn man hier gegessen hat, dass Wien endlich einen Platz bekommen hat, auf den das Wort zutrifft: spektakulär. (ar)

3 Kommentare:

  1. Ich kenne das sofitel leider nur aus Amsterdam. Dort war ich ähnlich begeistert, nur hätte ich diesen Zustand niemals in solch vortreffliche Worte fassen können, wie Du in Deinem Bericht!
    Ganz wunderbar zu lesen!

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  2. "Loft: was für ein Name!" und "moralischer Sprenggürtel" – das geht runter wie der Marc de Champagne nach dem Essen (hoffe doch, die bieten einen an).
    Wie halten die's übrigens mit dem Rauchen? Sie wissen ja: wenn die kan Tabak hamm, geh i wieder ham.

    Übrigens: das müsste glaub ich konfiert heißen (oder confiert?)

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  3. Lieber Herr Doktor,
    ich hoffe, ich werde jetzt nicht geprügelt wie der Überbringer schlechter Botschaften üblicherweise: Aber im gesamten Hotel herrscht leider Rauchverbot. Schlechte Zeiten ...

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