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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Dienstag, 6. März 2012

Der untertriebene Luxus des Gasthof Post


Woran erkennt man ein wirklich gut geführtes Haus, eine mit Bedacht auf jedes Detail achtende Küche? Ich esse auf der Terrasse des Gasthofs Post einen Schweizer Wurstsalat und sage: Am Schweizer Wurstsalat sollt ihr sie erkennen. Perfekt geschnitten, gute Ware, gekonnt mariniert, stilvoll serviert. So will ich es. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Dichte an hervorragenden Hotels und Restaurants in Lech am Arlberg ihresgleichen in Europa sucht. Zu den besonders hervorragenden Häusern zählt der Gasthof Post. Hier pflegt die Familie Moosbrugger seit Generationen einen 5-Sterne-Luxus ohne einen Hauch von Vulgarität oder Größenwahn, wie man beiden in den Alpen leider nur zu oft begegnet. Schon das unscheinbare Portal des Hotels deutet an, womit es der Gast zu tun bekommen wird, und Understatement herrscht auf allen Ebenen, sogar die Bäder mit eingeschleuster Dampfbadkabine und Wirlpool tun so, als wären sie das Selbstverständlichste auf der Welt. Ohne viel Aufhebens hat Florian Moosbrugger auch eine Servicemannschaft um sich geschart, die den Gast auf Händen trägt, ohne dass der den Boden unter den Füssen verliert. Als ich vor vielen Jahren in der Poststube einen winterlichen Tee nahm, war ich erstaunt über die Zeremonie, mit der heißes Wasser mit Kräutern zu einem Hochamt werden kann. Später verstand ich, warum das so ist, ja, so sein muss. Die Familie Moosbrugger hat seit immer schon einen hohen Anteil an britischen Gästen, weshalb man sich um die Einhaltung gewisser Riten bemüht, die von der menschlichen Zivilisation nicht mehr wegzudenken sind. So bittet man jeden Tag um vier Uhr zum Tee für Hausgäste, feinste Sandwiches und ein göttlicher Topfenstrudel included. Gestern Abend bat die Familie Moosbrugger also zum Cocktail. Es war ein diplomatischer Empfang ohne Staatsvertreter. Die Gäste im feinsten Zwirn hielten Sektgläser in der Hand, die mit dem Schaumwein Michael Moosbruggers gefüllt waren, der auf Schloss Gobelsburg eines der besten Weingüter des Landes führt. Sandra und Florian Moosbrugger, drei Generationen, Christl Moosbrugger als stille Teilnehmerin, moderierten zwanzig Minuten lang, über die Aktivitäten in der kommenden Woche geplant seien. Zweisprachig. Am Mittwoch geht es nach dem Essen zum Curling, wobei - gang britisch - der Gewinner den Verlierer zum Glühwein einladen darf. Donnerstag wird es eine Weinverkostung geben. Die Zeremomie hat etwas Unvergleichliches, ein familiäres Ritual, wie man es um die vorige Jahrhundertwende in den großen Hotels der Welt gepflogen haben muss. Am Schluss wurde die silberne Medaille für zehn Jahre Post-Treue an einen Gast verliehen. Ein Ansporn für die anderen. In einer Zeit, wo in anderen Tophotels, die von ahnungslosen Controllern aus der Konzernzentrale geführt werden, die Hoteldirektoren wechseln wie die Jahreszeiten, ist es ein echtes Vergnügen, der Familie Moosbrugger bei ihrem Wirken zuzusehen. Am Abend davor lernte ich in der Poststube, dem à-la-carte-Restaurant des Hotels, wie Michael Spirk, Küchenchef, der nun auch schon seit ein paar Jahren im Amt ist, mit dem leichten Druck der Tradition dieses Hauses umgeht. Moderne ohne Moderinismen. Niemand kann der Karte vorwerfen, sich zu sehr aufs gestern zu konzentrieren. Da war eine Komposition aus roten Rüben in verschiedenen Aggregatszuständen mit Wälderkäse und Erwin Gegenbauers hocharomatischen Johannisbeerkernöl - quasi der Lecher Gegenentwurf zum im Sommer allgegenwärtigen Caprese. Ravioli auf cremigem Spinat und reichlich schwarzer Trüffel gefielen sehr, eine Kombination aus Karotten und Bergamotte nicht minder, allerdings hatte das Tatar von der Zuger Lachsforelle gegen deren kräftige Aromen wenig Chancen. Wunderbar eine intensive Sauce aus Krustentieren, die zu Garnele und Seeteufel gereicht wurde, eine Freude das Filet vom Hirschen. Hirsch oder Reh müssen sein, denn überall im Haus begegnet man den Trophäen aus einer langen Geschichte der freundschaftlichen Beziehung zur Jagd. Auch der Weinkeller ist voller Trophäen. Die gastfreundlich bemessenen Kalkulationen der Weine machen es schwer, nicht noch weitere eine Flasche zu bestellen. Und Maitre-Sommelier Gernot II (Gernot I ist der Vater von Stefan Brandtner aus Salzburg) hat auch gar nichts dagegen einzuwenden. Montrachet oder Meursault - warum nicht beide? (ar)

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