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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Donnerstag, 3. Oktober 2013

Kein Topfen, dieses Haluschka

Im wunderschön gestalteten Garten des Weinguts Jamek treffe ich den neuen Winzer der Familie. Herwig Jamek wird sich um den Wein kümmern, seinen Arztberuf in Krems aber nicht ganz an den Nagel hängen. Ein Oberarzt als Winzer. Klingt wie ein Fernsehdrehbuch, aber diese Familie nimmt die Sache ernst. Auch im Restaurant sind die Jungen gerade dabei, die Verantwortung zu übernehmen. Die wichtigste Frage des Gastes muss an dieser Stelle lauten: Haluschka, Sulz, Beuschl und Hechtnockerl wird es das auch weiterhin geben?

Diese Sachen nämlich haben damals, unter der kochenden Regie von Edeltraud Jamek, den Ruf des Hauses begründet. In einer Zeit, in der in Österreich kulinarische Steppe herrschte, ging man dorthin, aß bürgerlich hervorragend, trank aus Riedelgläsern die schlanken, naturbelassenen Rieslinge aus der Riede Schütt oder die Veltliner vom Achleiten und hatte eine Ahnung, wie es sein könnte und dreißig Jahre später in weiten Teilen Österreichs auch geworden ist. Kultiviert.

Sulz, Hechtnockerl mit Petersiliensauce und Topfenhaluschka werden auch 2013 vom Küchenchef König, den es ebenfalls schon ewig gibt, nach gewohnter Manier zubereitet. Wenig Würze, viel Geschmack, einfache, bescheiden anmutende Darbietung, das Haluschka mit Grammeln und Gurkensalat ein einziger kultiger Traum. Ich trinke dazu einiges aus dem Jahrgang 2012, mein Lieblingswein aber an diesem Mittag wird der Klaus Smaragd aus dem Jahr 2011 sein. Ein kleines Bömbchen an Extrakt, Honig, Pfirsich.




Hans Altmann, der mit Jutta (geborene Jamek) seit 96 das Restaurant und das Weingut führt, hat nach einer Krankheit ein wenig von seiner Robustheit eingebüßt, dafür aber an herzlichem Schmäh gewonnen. Es fällt ihm merkbar ein Stein vom Herzen, jetzt, wo er weiß, dass das Haus und das Weingut weiterhin in den guten Händen der Familie bleibt.

Und die Antwort übrigens, ob es die alten Klassiker neben einer von so manchem überraschenden Einfall geprägten Tageskarte weiterhin geben wird, ob wir das auch in Zukunft haben werden dürfen, ist ein Ja.

(ar)

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Nichts mit Aussicht

Schon beim Eingang ins Hauses des Meeres ist mir klar: Du bist hier nicht Teil der Zielgruppe. Stofftierchen - Fische? Ich hab nicht genau geschaut - ine ordentliche Truhe mit Schleckeis. Hier ist der Ort, an dem die Kinder der Wiener, der Stadt mit dem geringsten Fischverbrauch überhaupt, die Möglichkeit haben, Meeresbewohner nicht als panierte Rechtecke kennenzulernen.

Kleines Gedankenexperiment: Würde man den Omas und Opas, Muttis und Vatis, die hier mit den Kleinen das Wochenende totschlagen und nichts verstörendes an den engen Habitaten der Haie und Riesenkrabben finden, im neuen Restaurant lebende Hummer anbieten, sie wären vor die Köpfe gestossen. Doch da besteht zur Zeit keine Sorge, denn das neue Lokal am Dach des Meereshauses ist ein echtes Stück Altwien. Das so genannte Magistrat hat hier ganze Arbeit geleistet.

Pfannen haben hier, wie ich hörte, Lokalverbot. Das Magistrat hatte Angst vor dem Feuer. Ins Freie, um eine der tollsten Aussichten zu genießen, derer man in Wien habhaft werden kann, darf man nur mit einem Plastikbecher. Das Magistrat hatte Befürchtungen, Kinder könnten Gläser über die Glaswand in die Tiefe werfen. Die Pächterin des Lokals, welches gerade vor kurzem fertigstellt wurde, hat sich arrangiert. Ihr Angebot ist nicht der Rede wert.

Natürlich wäre der Platz für einen Gastronomen, der mehr als das Mindeste bieten will, ein gefundenes Fressen gewesen. Man stelle sich vor: Meeresfrüchte am Dach des Haus des Meeres. Oder einfach eine Bar, in dem es den besten Lachs der Stadt gibt. Vielleicht auch einfach Sushi und Sake. Lustig auch Fish & Chips für die Kinder - und mich. Könnte funktionieren, aber solche Ideen gegen die allgegenwärtige Wiener Bürokratie durchzuziehen gleicht der Existenz eines Hammerhais in einem Bassin im Haus des Meeres.

(ar)


Dienstag, 1. Oktober 2013

36 Stunden Samos

Auf Samos begegne ich einer Küche, um die ich bisher einen weiten Bogen gemacht habe. Und muss zerknirscht eingestehen, dass ich der griechischen Inselküche vielleicht bisher unrecht getan habe.





Es war allem war es die Angst vor dem Verhungern, würde man sich nicht mit fetten Moussakas und totgebratenen Tintenfischen vergiften wollen, die mich bisher von den griechischen Inseln fernhielt. Bizzar fand ich  immer der Wiener Faible für griechische Restaurants, während das Essen in der griechischen Klischee-Landschaft aus Langsamkeit, Wetter und Meer der einzige Wermutstropfen ist.



Auf der Nordseite der Insel Samos aß ich in einer Taverne in einem winzigen Bergdorf mit dem unmerkbaren Namen Vourliotes. Erstes Zusammentreffen mit Schafskäse bester Qualität, eine beeindruckende Scheibe balancierte auf groß geschnittenen Stücken von Gurken und Paradeisern, Prachtexemplare, die nach der Ernte im Garten während der letzten Sonnenstrahlen schmeckten.

Ein Moussaka schmeckte wie es aussah. Weniger gut. Prächtig dann ein mit Reis und Gewürzen (ich schätze es waren Nüsse, Mandeln darunter, vielleicht auch Honig) gefülltes und gegrilltes Hendl, ein reiner Genuss und meine Vermutung, dass sie hier die Hühner nicht so malträtieren wie wir in Mitteleuropa, stimmt hoffentlich. Herrlicher Honig mit zuckrigen Kirschen als Nachtisch.

Die Krise ist den Menschen nicht auf den ersten Blick anzumerken. Sie bewahren Fassung und Lässigkeit. Einige  sind von den Firmen, die sie freigesetzt haben, in die familieneigenen Weingärten zurückgekehrt und arbeiten dort gemeinsam für einen karten Lohn. Weinbau auf Samos ist Familiensache. Viele Häuser aber - sie stehen nicht den ersten Sommer halbverputzt oder überhaupt nicht fertig gebaut in Nachbarschaft von aufgelassenen Geschäften. Tristesse im Hinterland, schicke Ressorts am Strand. Da ist Samos, ein ausgesetztes Stück Europa etwa fünf Kilometer vor dem asiatischen Teil der Türkei  keine Ausnahme.

In einer einfachsten Taverne direkt am Wasser dann ein weiteres Aha-Erebnis. Fisch, zubereitet in einem kleinen Familienbetrieb, wie man es aus Italien oder Spanien zu kennen glaubt. Die Zutaten, aus denen in George Pyrgiotis Fischtaverne gekocht sind, wurden mit Bedacht ausgewählt. Und manchen erfasst am Tisch während des Essens Wehmut beim Gedanken, dass er das lange nicht mehr haben wird. Joghurt, Salate, Pasten, gebackene Teigbällchen mit Fisch oder mit Ziegenkäse, Sardinen, kleine Stockfische, es wird serviert und nachserviert bis wir erschöpft Stopp rufen. Und ich lerne die griechische Version des Baba au rhum kennen. Die Biskuitmasse schmeckt verflucht ähnlich der, die man aus Süditalien kennt. Aber statt Rum gibt es Metaxa.


Restaurant Ireon Vouros, George Pyrgiotis, Tel.: +30 22730.95464

The Blue Chair Tavern, Vourliotes Square, Tel.: +30 22730 93311



Herr Pilz

Steinpilzzeit ist. Eigentlich hatte niemand von uns mehr damit gerechnet. Doch bevor die Natur sich für die kommenden Monate in Eis, Schnee und Neben hüllt, hat sie offenbar beschlossen, den Menschen noch ein wenig Freude zu machen. Der Steinpilz ist der Herr unter den Pilzen, deshalb auch sein Vulgo-Name Herrenpilz.

Aber in einem Land, in dem gerade eine Partei bei den Wahlen mit Erfolg bedacht wurde, die das Herrenhafte in ihrem Menschenbild trägt, hat das Wort Herrenpilz einen bitter-modrigen Beigeschmack. Solange haben wir schon auf die nach Wald duftenden Pilze verzichten müssen, da darf es niemanden wundern, wenn wir vergessen haben, wie man diese eigentlich zubereitet.

Eine kurze Umfrage am Naschmarkt ergab, dass sich die Fans des Steinpilzes in zwei Lager teilen lassen: die Anhänger des Gebackenen fühlen sich hier von den Anhängern des Steinpilz à la nature mißverstanden, werfen ihnen diese doch vor, durch die blonde Panier und das Backen in Fett dem Pilz seine Finesse zu rauben. Wobei: in Häusern wie dem Meixner, dem Eckel oder dem Jamek werden die Pilze doch auf hervorragend gute Weise paniert, auch die Sauce Trara schmeckt und mit einem Spritzer Zitrone wird daraus ein herbstlich-erfreuliches Essen. Natürlich kann man sich dem Pilz auch raffinierter nähern.

Der viel zu selten in der Öffentlichkeit aufkochende Xandi Müller wies mich in diesem Zusammenhang bei einem raren Koch-trifft-Esser-Ereignis im neuen Wiener Theatercafé (Müller hospitierte dort einige Tage) auf seinen Trick hin. Er macht aus den Abschnitten der Steinpilze mit Weißwein und etwas Wasser einen aromatischen Fond. Dieser dient zu nichts anderem, als die in der Pfanne bratenden Pilze etwas zu befeuchten, während diese ohne diesen Schuss Flüssigkeit (niemals reines Wasser verwenden, macht die Sache tödlich fad) dann doch leicht trocken geraten. So werden die Pilze herrlich schlatzig, ein Ei darauf, kurz warten, zweimal umrühren, Petersilie dazu, fertig.

Der großartige Alberto Stefanelli in seinem Bacco in Wien Margarethen hingegen macht die Steinpilze am besten roh. Er hobelt sie hauchdünn, serviert sie auf einer großen Platte, ebenfalls gehobelter Parmesan darauf sowie einige (wichtig) Spritzer Zitrone und einiges vom besten toskanischen Olivenöl aller Zeiten. Dieses Gemälde von einem Essen wird serviert, dann aber von Alberto mittels zweier Gabeln zu einem leicht unansehnlichen Gatsch vermischt. Aber wie gut der schmeckt!

(ar)