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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Donnerstag, 12. Januar 2012

Über den Tellern von Nizza, zweiter Tag








































Die Sonne scheint. Also nehmen wir den Wagen und fahren hinaus. Gerne genommen wird zum Beispiel die Route Negresco, Promenade des Anglais, bis Colombe d'Or, St. Paul de Vence. Natürlich sind Ihnen beide Adressen bekannt, wenn Sie nicht ohnehin zu den Stammgästen gehören. Das Negresco macht um diese Zeit ANfang Jänner einen etwas gebrechlichen Eindruck, wenn der Vergleich in Anbetracht der vielen betagten Herrschaften, die auf der davor liegenden Promenade die Wärme suchen, erlaubt ist. Die Bar ist zu, das Sternerestaurant ebenfalls, der Service von einer eigenwilligen Geschlepptheit. In der großen Bar spielt eine Dame Jazz und ein paar Lieder und sie tut es mit einer gewissen Gequältheit. Der Kellner verweigert den Service von kleinen Gerichten. Warum? Erfahren wir nicht. Dagegen wirkt eine Wiener Amtsstube wie das Woodstock-Festival. Kommen wir nach St.Paul. Hinter den zahllosen Gallerien mit Pseudokunst, Kunst und Kitsch versteckt sich eines der berühmtesten Dörfer des Südens und der Beitrag des Hotels und Restaurants La Colombe d'Or zu diesem Ruhm darf als bedeutend eingeschätzt werden. Ich sage nur: Yves Montand und Simone Signoret. Wenn Sie die beiden nicht kennen, hören Sie jetzt auf zu lesen und schauen sich eine Folge von CSI oder Dr.House an. Das Essen in der Colombe, das man umringt von wohlhabenden Touristen, einigen Habitués und den Bildern von Picasso oder Miro einnehmen kann, hatte ich bis jetzt als liebenswert mediocre und leicht überteuert im Kopf abgespeichert. Nichts von beidem bei diesem Besuch. Die Preise rechtschaffend fair an einem Ort wie diesem, ein kleiner Aufschlag in einem der berühmtesten Lokale der westlichen Hemisphäre ist erlaubt. Aber das Essen. Selten hatte man delikatere Heringe, köstlichere Blutwürste, raffiniertere Salate und bessere Gemüse als bei den in Schälchen aufgetragenen Hors d'Ouevres nach Art des Hauses, die gelungen die Saison wiederspiegeln. Diese roten Rüben! Diese Bohnen! Nach einem derartigen Ausflug ins Schlaraffenland wäre man eigentlich schon reif für den Digestif, doch schon eilt die gut gelaunte Servicemannschaft herbei und serviert das gefühlte beste Hähnchen aller Zeiten, in einer cremigen Sauce mit Morcheln und nichts als Reis. Du Bueurre, du Buerre! Der Hausbordeaux kostet 30,- die Flasche. Die Fooodies sind begeistert und empfehlen österreichischen Restaurants dringend eine Nachahmung. Die Nachspeisen sind zauberhaft, man weiß allerdings nicht mehr genau, wo man sie hinessen soll. Der Abschluss: Ein mit Pfirsichlikör gemilderter Grappa, eine Portemonnaie-verträgliche Addition. Die armen Künstler, deren Bilder jetzt hunderte Millionen wert sind, sollen zu Lebzeiten ihre Mahlzeiten mit Werken bezahlt haben. Auch ich trage immer ein paar Telefonskribbles mit mir, traue mich am Ende aber dann doch nicht, damit an Stelle meiner Kreditkarte zu bezahlen. (ar)

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