- - -
Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
- - -

Montag, 29. Oktober 2012

Turin, dritter Tag























Mit der Zeit fühle ich mich zu Hause, irre nicht mehr planlos übers Gelände auf der Suche nach dem Messeeingang oder dem Pressroom oder dem Zelt, wo es die herrlichen neapolitanischen Pizzen und die frittierten Mini-Rougets gibt. Ich weiß, dass ich im ersten Saal die Abteilung Veneto finde, wo man 36 Monate gereiften Prosciutto bekommt, dass es im Saal 2 die Toskana-Abteilung gibt, dass das herrliche Bier (eines von vielen herrlichen Bieren) gleich eine Straße hinter dem Stand mit den Schweineabfällen zu finden ist, dass im dritten Saal in der Abteilung Puglia (3F) unglaubliche Dinge warten, herrliche Paradeiser aus dem südlichsten Zipfel des Stiefelabsatzes, angeboten von einer hübschen Dortigen, famoses, viel zu günstiges Olivenöl, Extremkäse (ein in einer Mozzarellahülle eingepackter Ricotta, man muss heulen vor Freude), eine Unglaublichkeit namens Thunfisch und die geilsten Orangen und Pfirsische aller Welten. Plus Hartkäse mit Waffenscheinpflicht, die alle Schleimhäute attackieren, so scharf sind sie. So wie ich auch weiß, dass der Stand mit der Foie Gras de Canard gleich fünf( Schritte weiter von dem mit dem Schwarzfederhuhn aus den Pyrenäen liegt, wo es Pommeau gibt, einen Pineau de Charentes auf Apfelbasis, was bezwingend gut schmeckt. Allerdings hat mir ein anderer Foie-Gras-Macher erklärt, dass man deshalb gerne süße Weine zur Stopfleber serviert, um Fehler in der Qualität oder Zubereitung zu übertünchen. Ihr seid entlarvt, mittelmäßige Foie-Gras-Macher! Eine ebenfalls interessante Beobachtung: Wenn du bei einer Verkostung bist oder dir gerade einen Teller mit ein paar Scheiben rarsten Schinken gekauft hast, wachsen plötzlich neben dir Hände aus dem Nichts, die danach tasten und greifen. Nicht nur einmal hatte ich fremde Finger auf dem Fett meines Jabugos! Die letzte Veranstaltung des Tages bereitet mich geistig auf die Rückkehr nach Wien vor. Eine Handvoll beherzter österreichischer Produzenten bittet zu einem Labor des Geschmacks, oder wie die Workshops heißen. Wiener Schnecke, Beinschinken, Edelsaurer, Gemischter Satz. Nach dem Thumschen Schinken werden die Italiener vielleicht nie mehr etwas anderes wollen, beim gemischten Satz, obwohl sehr gut, eventuell nicht unfroh, dass sie das nicht täglich trinken müssen. Die Säure. Warum ein Wein, der nicht eben selten ist und als Basis für den unsäglichen Wiener Heurigenspritzer dient, das Presidio-Label verliehen bekommen hat? Nicht nur ich frage mich das. Abends außer Gefecht gesetzt. Es handelte sich um einen hinterfotzigen Anschlag mit umbrischen Bohnen und er traf mich vollkommen unvorbereitet. Die Turiner Gastronomie muss also diesmal ohne mich auskommen. Es kann nicht immer super sein, Amici.

(ar)

Sonntag, 28. Oktober 2012

Turin, zweiter Tag













Alleine die Toskana-Abteilung auf dem Salone des Geschmacks ist so groß, dass Österreich darin locker zwanzig Mal Platz hätte. Soviel muss gesagt werden zum Feinkostladen Europas, wie unser Land einmal von einer Lächerlichkeit namens Landwirtschaftsminister bezeichnet wurde. Das Thema Paradeiser wird hier rauf und runter gespielt. Glücklich, wer sich eine Tonne von den Säften, Saucen und Einlegearbeiten in Rot mit nach Hause nehmen kann. Überlege, meinen Koffer zu leeren. Entdecke wunderbare Mortadella, nie zuvor gegessen, staune über ein Gericht aus Schweineabfällen, das aus dem Dorf Grotti im Süden der Toskana stammt. Sogar Bier können sie besser als wir. In Puglia ist jeder zweite Paradeiser, jeder zweite Käse mit dem Slow-Food-Presidio-Siegel ausgezeichnet, sozusagen das UNESCO-Welterbe unter dem Essen. Zwischendurch eine kommentierte Vermentinoverkostung und ich notiere: Du musst bald in die Marken. Oder ein Vortrag über Migration und Essen. Vieles, was für uns - und sogar die Menschen in Italien - typisch italienische Küche bedeutet, manifestierte sicher sich erst im Zuge der Auswanderungswelle nach Amerika, wo in Little Italy Pizza und Pasta zum kulinarischen Alltag gehörten. Dann lerne ich Slow Food-Youth kennen, internationales Netzwerk von engagierten jungen Foodies. Sie sagen Food is rock. Erkläre das einmal einem durchschnittlichen österreichischen 25-Jährigen, der sich gerade die kalte Tiefkühlpizza reinzieht.  Das statistisch erwartbare Desaster in der Sternegastronomie ereilt mich am späten Abend in einem turiner Vorort. Im Combal.Zero kochen sie so lächerlich schlecht, dass darüber noch gesondert zu reden sein wird.

Samstag, 27. Oktober 2012

Turin, erster Tag

















Wo es etwas zu Essen gibt, ist ein Ess-Schreiber nie zur Erholung. Harte Angelegenheit, der Salone des Gustos in Turin. Die Langsamesser sind in guter Form, abends tun ihnen die Füße weh. Mir auch, außerdem brauche ich etwas Gescheites zum Trinken. Im Del Cambio erhole ich meine Augen vom Anblick der Messehallen und trinke erst mal einen großen Schluck hervorragenden Spumante.

(ar)