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Dienstag, 2. April 2013

Nachruf auf das Osterei






Ostern ist vorbei. Das hat gerade auch der großartige Wolfram Siebeck in seinem Blog festgestellt. Ihm gefällt das Fest nicht so recht, so las man darinm, denn es beschert ihm ein Wiedersehen mit Verwandten (die man sich bekanntlich nicht aussuchen kann) und deren Kindern (für die gleiches mit umso größerer Bestürzung zu verzeichnen ist).


Siebeck hat weniger ein Problem mit dem Thema Ei, sondern mit dem Ei-Phone, dem Ei-Pad und anderen Gadgets, welche die jungen Leute am Tisch vom Osterschmaus anhalten. Es piept, drückt leuchtet und auf den Bildschirmen der kleinen Dinger finden sich die Schlieren der kleinen Fingerchen, die gerade noch ein Butterbrot schmierten. Unmanierlich, aber leider keine Seltenheit.

Auch ich erinnere mich der fernen Zeiten, als ich vor gefühlten Jahrtausenden das Hören von Musik-Kassetten in Gesellschaft meiner Cousins und Cousinen im Autoradio des Onkels der Nachspeise beim Häupl vorgezogen habe. Gottlob war kein Siebeck mit den Eltern am Tisch, die hätten sich sonst was anhören können über die kulturelle Verwahrlosung ihrer Nachkommenschaft.

Ich selbst sehe die Aktivitäten der Nachkommenschaft von Freunden und Verwandten am Tisch eher entspannt, solange sie mich nicht zwingen, mein Essen und den Inhalt meines Glases vor dem Genuss auf Facebook zu posten und gleich auch zu liken und zu kommentieren.

Was mir eher Sorgen macht, ist die österliche Inflation des Eies.

Sie strebte einem Höhepunkt zu, als am Ostermontag nachmittag in einem burgenländischen Dorf die jugendhaften Vertreter der örtlichen ÖVP auftauchten, um ihren Vorrat an bemalten Eiern zu verteilen, eine Art Restl-Charity, gegen die jegliche Versteigerung einer alten Weinflasche auf e-bay wie eine kulinarische Liturgie wirkt.

Diese Ostereier, so dachte ich, waren auf der untersten Stufe der sozialen Ostereier-Hierarchie angelangt. Sie haben keinerlei Grund, sich über ihre Leidensgenossen, die mit Industriefarbe bemalt, etwa im billigen Plastikbehältnis im Supermarkt angeboten werden, zu mockieren.

Dass Eier weder ein Bewusstsein noch Schamgefühl besitzen, ist in diesem Fall ihr Glück.

Die Welt der Eier ist noch stärker von Ungerechtigkeit, Zufällen und Nepotismus geprägt als die des Menschen und gerade zu Ostern macht sich das besonders auffällig bemerkbar.

So wie Eltern für ihre Kinder hoffen, dass es ihnen einmal besonders gut beziehungsweise besser geht als ihnen, würden das auch Hühner tun, wenn man sie fragte.

"Ich möchte, dass aus meinen Kleinen etwas besonderes wird", würden die Fräulein und Damen Hühner über die Zukunftshoffnungen ihrer Hühnereier sagen, "also sie auf einem Bauernhof ein Bio-Semniar mit sehr gut abschließen, dass sie schließlich als Kaviar-Ei bei Lisl Wagner Bacher oder als Ei mit Perigord-Trüffel-Sauce in der Pariser L'Ambroisie auf den Teller kommen."

Und wenn schon Ostern: Wenigstens sollten sie auf dem Oster-Frühstücks-Tisch von Leuten landen, die sie mit Andacht schälen und danach mit Genuss und etwas Fleur de Sel verzehren. Und die dazu selbst gemachten französischen Salat und Schinken im Brotteig mit Kren nehmen. Und um Gottes Willen kein Trüffelöl.

Leider sieht die Wirklichkeit für 99,99% der Eier anders aus.

Trauriger Tiefpunkt ihres österlichen Kreuzwegs durch die Supermarktregale ist es, wenn sie in die Hände eines lebensweisen Oberlehrers geraten, der während er die letzten Reste der bunt bemalten Schale abzupft, allen erzählt, wie ungesund der Genuss von Eiern eigentlich sei.

Während er dann mit schmerzverzerrtem Grinsen den ersten Bissen vom Köstlichen nimmt, erwähnt er seine Blutwerte und dass er sich den Osterei-Genuss am Nachmittag sicher noch mit einem Waldlauf verdienen werde.

(ar)




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