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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Mittwoch, 20. November 2013

Verarmen in the City

Eine kleine Apanage für einen gewonnenen Auftrag. Wie gut es sich trifft, dass im Dezember, wenn diese ausbezahlt wird, auch die Sozialversicherungsanstalt (Was für ein Name!) zur Stelle sein wird, um ihre Forderungen einzutreiben. An sich ist es beruhigend, das verdiente Geld in guten Händen zu wissen. Man könnte sonst seiner Neigung zur Verschwendung nachgeben, nach Paris fliegen, Schuhe kaufen oder einen neuen Eiskasten.

Entspannt sehe ich meiner zunehmenden Verarmung entgegen, denn ich weiß jetzt auch, wo ich die prekärsten Jahre meines Lebens verbringen werde. Die Wiener Innenstadt bietet entgegen aller Vorurteile von wegen goldenes Quartier und Speisenkarten in Russisch auch Lokale wie den Reinthaler in der Gluckgasse. Lange vorbei spaziert, war ich jetzt endlich einmal drin.

Eine bunte Tischgesellschaft erwartete mich dort, allen voran Cosima Reif, die Autorin des wunderbaren Büchleins "Kamasutra des Kaufens", eine Predigt für Verschwendung und gegen das lächerliche Hüten des Spargroschens. Der Reinthaler aber, ein echtes Wiener Beisl, weist sich als Lokal für alle aus, die zwar nichts gegen ein verschwenderisches Leben haben, aber dennoch kein Geld im Beutel.

Hauptspeisen gibt es da in verschwenderischer Größe um die Siebenfünzig, die Teuerste davon (Schulterscherzl, Schmarrn und Dillfisolen immerhin) unter zehn Euro. Eine Bestellung von Grammelknödel (herzhaft, groß, gut) mit Saft (echt, gut) und Sauerkraut als Vorspeise wird von der Küche nicht als solche wahrgenommen, nach dem Motto: Bei uns gibt es solche Kinkerlitzchen wie Vorspeisen nicht. Also  Grammelknödel und den gebackenen Kalbskopf mit Erdapfelsalat gleichzeitig.

Wenn ich als armer Gast ins Reinthaler gehe, werde ich wissen, dass mehrgängige Essen und dergleichen liebenswerte, aber endgültige Vergangenheit sind. Ich werde mir den Bauch voll schlagen mit Wurstknödel (Wurstlknödel!), mit Augsburgern und Dillfisolen, mit gebackener oder gerösteter Leber, mit gerösteten Nieren oder auch mit Zwiefelrostbraten. Eine Portion wird für den Tag reichen. Vielleicht noch ein Kaiserschmarrn oder Palatschinken danach, an hohen Feiertagen, an denen der Reinthaler in der Gluckgasse aber geschlossen hat. (Touristen werden ans Schwesterlokal gegenüber dem Trzeniewski verwiesen, wo es weniger schön, aber auch ganz gut ist.)

Wein werde ich nicht dann nicht mehr viel trinken, Bier auch nicht, denn beide sind beim Reinthaler nicht besonders gut (Gösser!). Der Getränkeanteil an meiner Konsumation wird entsprechend gemäßigt ausfallen. Gut. So gesehen kann man der sich langsam annähernden Armut beruhigt ins Auge blicken.

Reinthaler, Gluckgasse 5, 1010 Wien, Telefon: 01 512 33 66

(ar)

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