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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 1. Mai 2015

JRE-Kongress in Roermond und was wir daraus lernen

Gastronomisch ist der Ort Roermond, etwa eine dreiviertel Autostunde vom Flughafen Düsseldorf im Dreiländer-Eck Limburg gelegen, nicht weiter auffällig. Sie haben zwei vom Michelin mit Sternen ausgezeichnete Restaurants und ein paar gute Hotels. In diesem Umfeld trafen sich vor kurzem die Chefs der Jeunes Restaurateurs d’Europe (JRE) zu ihrem alle zwei Jahre in einem anderen europäischen Land stattfindenden Kongress. In Holland widmet man sich der Wissenschaft um die Zusammenhänge von Essen und Gesundheit zu verdeutlichen. Ein Einblick in das Forschungsgeschehen kann einen je nach Standpunkt das Fürchten oder die Freude lehren.
So genannte Super-Foods, hochgezüchtete Früchte und Gemüse, sind das Thema; Salate und Kräuter, die unter LED-Lampen wachsen und nie eine Sonne oder einen natürlichen Boden sehen. Für viele Feinschmecker eine unbekannte Welt. Das ist das eine. Und doch hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gastronomie und Essen ihre spannenden und nützlichen Seiten.
Da traf man den über die Grenzen bekannten Peter Klosse, der selbst ein Restaurant führt und unlängst wieder ein Buch geschrieben hat: „The Science of Gastronomie“. Klosse betrachtet die Zusammenarbeit zwischen Spitzengastronomie und High-End-Köchen mit Skepsis. Was sich im Laufe der Entwicklung der so genannten Molekularküche als Zutat ins Essen verirrte, gehöre eigentlich dort nicht hinein, so Klosse und hätte nicht nur im spanischen Rosas zu schweren gesundheitlichen Aussetzern bei Gästen von Adriàs legendärem El Bulli geführt. Sprich: einmal eine Prise Xanthan mag okay sein. Wenn es die Küche in zehn Gängen anwendet, würde es dem einen oder anderen Organismus zu viel.
Transparenz ist nicht nur an die Spitzengastronomie eine Forderung, die man laut Klosse unterschreiben muss. Auch der hohe Anteil an Fertigprodukten ist solange ein Ärgernis, solange nicht ausgewiesen wird, was in dem Essen drin ist, das der Gast serviert bekommt. Fertigsaucen sind kein Thema in der Sternegastronomie, aber eine Etage tiefer sehr wohl.
So wie die Gärten und Felder und was von ihnen kommt, eine große Rolle spielen in den holländischen Restaurants der Oberliga, findet auch der Chef des Michelinführers, dass dem „Produkt“ in der Hochküche gar nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet werden könne. Michael Ellis, von den Chefs als Papst und Verkünder des Wortes Gottes wahrgenommen, schwärmte in seiner Rede von Aal und Bohnen und verkündete damit eine Abwendung des roten Führers von den üblichen Edelprodukten. Eine Hinwendung zu Terroir und verfeinerter Cucina Povera? Erfreulich, dass Michelin beschlossen hat, diesen Trend nicht zu verschlafen.
Für die österreichischen Kongress-Teilnehmer, die unter ihren Kollegen im übrigen einen hervorragenden Ruf zu genießen scheinen, ging der Kongress mit einem kleinen patriotischen Triumph zu Ende: der Preis in der Kategorie Innovation ging an Thorsten Probost. Er kocht in Oberlech in der Griggeler Stuba (Burg Vital Hotel, 3 Hauben) und zwar genau so, wie es dem Trend, der in Roermond verkündet wurde, entspricht: mit Achtsamkeit auf Bekömmlichkeit, viel Gemüse und Fisch und abseits des Mainstreams.

(Der Text erschien vor kurzem ebenfalls auf vinaria.at)

(ar)

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