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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Mittwoch, 12. September 2012

Noma: Es muss einfach sein










Alles ist über Nordic Mad, kurz Noma geschrieben worden. Manche, die geschrieben haben, waren selbst noch nicht mal dort. Wie die Copy-Paste-Küche, die während der letzten Jahren immer mehr an Bedeutung bewonnen hat, eine Küche, deren Inspiration im Netz und in Kochbüchern stattfindet, ist es der Copy-Paste-Journalismus, der Restaurants zitiert, wo der Schreiber aus Geld- und Zeitmangel noch nie gespeist hat. Noma alles gesagt, über den Werdegang Redzepis ebenso wie über das Konzept seines Partners, über die finanziellen  Zuwendungen staatlicherseits, wie es das in Dänemark angeblich gibt, genauso wie über die Einschränkung, ausschließlich mit saisonalen Zutaten aus der Region zu kochen. Ich war dort und kann es nicht lassen. Wie der Diavortrag von den Griechenlandferien. Ein Schüleraufsatz in der fünften Klasse also über den letzten Besuch (in echt, nicht virtuell) bei René Redzepi und seinem Team. Am Pier in Kopenhagen. I am James, begrüßt uns der Maitre d', ein attraktiver Australier mit drei-Tages-Bart und es fühlt sich an, wie du in den Wellbeing-Abteilungen der besseren Hotels empfangen wirst. Lass' uns zu Tisch gehen, bedeutet er uns. Wir sind per Vornamen, wir sind per du, wie in der Ikea-Werbung (was auf englisch nicht so auffällt). Zu Gast im superlässigsten Restaurant der Welt, das nicht zuletzt deshalb vielleicht auch das beste der Welt ist. (Lässig übrigens der dieses Jahr meistverwendete Begriff in der Gastronomie. Alle wollen so lässig sein, dass ich mich langsam nach etwas mehr Strenge sehne. Eine andere Geschichte, das.) Eine rein rhetorische Frage: Aber ist es auch so genial, wie alle sagen? Zu viele Kopien sind während der letzten Jahre in Umlauf gekommen, zu viele Gemüse, Kräuter und getrocknete Karotten auf den Speisenkarten der so genannten Avantgarde. Man erwartet sich also nicht zu viel. Ist sogar ein bisschen unterkühlt. Das beste Restaurant, hätten wir das jetzt auch gehabt. Doch kaum Platz genommen, entzündet die Küche das Feuerwerk. Es geht ab und wir werden vom Tempo in die Sessel gedrückt, die für die Damen mit kuschligen Fellen geschmückt sind. Auf dem Tisch stehen Blumentöpfe und der Noma-Habitué ahnt es gleich, hier steht bereits der erste Gang. Auf Geheiß des Service pflücken wir daraus und knabbern einen nachgebauten Pflanzenstiel aus Weizen. Sie schießen die Snacks aus der Küche, servieren, wie es die Chinesen machen, Gang um Gang, Teller für Teller, Korb für Korb. Unser Essbesteck sind die Finger, die in falscher Erde wühlen, taufrischen Sauerampfer greifen, knusprige Erdäpfel-Pilzpulver-Sandwiches fühlen, Erdäpfel in einer Sauce, n der rauchwarme Holzscheite liegen auf geräucherter Butter mit geschnitztem Holz aufspießen. Jeden Tag um fünf Uhr früh müssen die Leute (das Bodenpersonal, nicht die Offiziere) raus, eine Stunde entfernt vom Restaurant die Kräuter und Gemüse sammeln, die mittags bereits auf dem Tisch landen. Täglich. Und soviel Grün gibt es im Sommer wahrscheinlich kein zweites Mal auf dem Tisch. Der biegt sich unter der Last der Blüten, Kräuter, Gräser, Blätter. Aber mit der lang gesichtigen weltverbessernden Speisenaufnahme in einem Veggie-Restaurant hat das Noma nichts zu tun, dafür ist allein schon zu großzügig vom Wein im Spiel. Während der ersten Gänge trinken wir wunderbar eigenwillig schmeckenden Champagner, natürlich Bio, irgendwann kommt dann die erste Flasche Wein, Teil einer Auswahl, die den klassischen Bordeaux- und Burgundergourmet vor den Kopf stößt. Nach zehn Snacks, die als Teil des 24-gängigen Menüs zu sehen und zu essen sind, gibt es erst das Brot. Eine wunderbare Idee, die mir schon im Il Canto in Siena aufgefallen ist, welche verhindert, dass der Gast den ersten Hunger mit Butter und Brot stillt. Das Brot dient hier nur der Erheiterung des Gaumens zwischen den Gängen, vielleicht auch der Kalibrierung der Papillen. Die haben ja einiges zu verstehen an so einem Abend, von der karamelisierten Milch mit der eiskalten Codfish-Leber bis zum hauchdünnen Weizenbrot mit Kräutern und getrocknetem Hühnerfond oder den delikat-gemüsig-süßen getrockneten Karotten. Pontus, der Sommelier, hat Gefallen an unserem Tisch gefunden und kommt immer wieder vorbei, uns eine Geschichte über das zu erzählen, was wir im Glas vorfinden. Letztgenanntes wird großzügig vollgefüllt und nicht wenige Gäste verlassen später das Lokal recht angeheitert und werden sich am nächsten Morgen nur noch bruchstückartig erinnern, was sie da eigentlich auf dem Teller oder in der Hand hatten. Das ist vermutlich auch im Sinn Redzepis, sofern es sich bei den Gästen um spionierende Köche aus anderen Ländern handelt. Die würden zu diesem Zeitpunkt nämlich notiert haben, dass ein großer Teil des kleinen und großen essbaren Ideen nicht mit dem Besteck gegessen wird. Manches nimmt man einfach mit den Fingern, anderes mit geschnitzten Zweigen. Eine tolle Idee, für die Mitteleuropa allerdings noch lange nicht reif ist, wobei eigentlich: die Käsekrainer essen sie bei uns ja auch mit dem Zahnstocher. Womit das Wort Käsekrainer in einem Text über High-End-Wirtshäuser jetzt auch erwähnt ist. Redzepi hat es nicht so mit den noblen Produkten übrigens. Erdäpfeln bilden schon einmal einen eigenen Gang, genial sind sie in der Kombination  mit einer Creme auf Basis von geräucherter Butter. Dann eine zimmerwarme Petersiliencreme mit Schnecken. Es gibt dann noch Krabbe, zweimal Fisch in vollendeter Zubereitung, schließlich Kalbsbries mit viel Grün und Eierschwammerl, und Ameisen in einem grünem Blatt, wie ein Sandwich. Die Ameisen könnten auch süß-saure Waldbeeren sein. Nur halt mir kleinen Beinchen dran. Das Dessert habe ich jetzt gerade nicht parat. Was Grünes wr es. Zu viel vom Wein. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich wieder hinfahren würde: oja, ich würde und werde, aber erst im kommenden Jahr. Um dann wieder darüber zu schreiben.

(ar)

4 Kommentare:

  1. schöner ton, schönes tempo. ich müsste eigentlich auch übers zweite mal im noma schreiben, danke für die indirekte erinnerung ;-)

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. ich freue mich auf die nächste einladung, da serviere ich ihnen einfach einen blumentopf, und als zweiten gang die alten vertrockneten rüben die ich seit 11 monaten im kühlschrank vergessen habe ;-)

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