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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Mittwoch, 18. Januar 2012

Douro Diary




Sie luden mich ins Douro ein. Zum Herumschauen und Herumprobieren. Sie, das sind die Douro Boys, eine superboyartige Gruppe von Winzern, die dort Weine und Portweine machen. Man muss an dieser Stelle wieder das Wort Spitzenwinzer strapazieren. Wie oft wird dieses Wort benutzt, es liest sich schon wie ein zu oft gebrauchtes Weinfass. Das Douro liegt übrigens in Portugal, den Namen hat es vom gleichnamigem Fluss, der vom Spanischen aus in den Atlantik schwimmt. Ein paar Dämme haben sie ihm gebaut, damit er in Ruhe durchs Tal mäandern kann. Entlang dem Fluss ein paar ausgesprochen hässliche Städtchen und ein paar wunderschöne Weinberge. Steil sind sie und machen ordentlich Arbeit. Dennoch sind die Weine aus dem Douro ausnehmend günstig, trotz der Mühe, die man beim Ernten und bei der Arbeit in den Weingärten hat. Doch günstig ist für Fooodies höchstens eine willkommene Nebenerscheinung, aber kein Kriterium. Den Wein aus dem Douro trinken wir ab jetzt aus einem anderen Grund: weil er gut ist. Weiß wie rot wie Port. Mehr über das Zusammentreffen meinerseits und den Winzern und Weinen des Douro andererseits, und warum ich an zweieinhalb Tagen fünf Mal Kohlsuppe aß, lesen Sie in Kürze hier. (ar)

Dienstag, 17. Januar 2012

Thank you, Mister Benedict


Das einzig mögliche Frühstück nach einer fordernden Nacht. Eggs Benedict sollte es auf Rezept geben. Leider kenne ich kein Wiener Lokal, wo dieses Rezept hinkriegen und musste für das Bild nach Porto ins Hotel "The Yeatman" fliegen. Hat ein Wiener Koch Erbarmen?

Einwsteilen müssen wir halt selbst ran: Eggs Benedict sind keine Hexerei, solange man einige Regeln einhält: Alle Zutaten müssen von erster Qualität sein, der Speck also nicht vom Supermarkt, sondern vom Bauern, die Eier von bester Haltung, der Toast vom besten Bäcker, was in Fooodies Haushalten selbstverständlich sein sollte.

Die Eier pochieren wir in siedendem Wasser, das mit einem Schuß Essig versetzt wurde. Das ist Übungssache. Mit einem Schöpflöffel lassen wir das Ei ins fast kochende Wasser gleiten. Jetzt gilt es, das Auseinanderfließen des stockenden Eiweiß im Wasser zu verhindern, was ungefähr beim fünften Ei keine besonders schwierige Übung sein sollte. Nach ein paar Minuten sind die pochierten Eier fertig.

Währenddessen haben sie im heißen Backrohr den Speck gegrillt oder in einer Pfanne gebraten.

Das Aufschlagen einer Sauce Hollandaise stellt für Sie hoffentlich kein Problem dar. Solange Sie den Grundsatz beherzigen, dass das Wasser im Wasserbad nie zu heiß werden darf, weil sonst das Ei vor Hitzschock zum Rührei erstarrt, kann nicht viel schief gehen. Jedenfalls ist die Sauce H. kurz vor dem Servieren der Eggs B. fertigzustellen.

Nun plazieren Sie die pochierten Eier auf perfekt gebräunten Toastbrotscheiben, gießen etwas von der Hollandaise an und legen eine oder zwei Scheiben vom gefrillten Speck dazu.

Nach einem solchen Frühstück kann der Tag nur noch ein guter sein.

(ar)

Montag, 16. Januar 2012

Ich, Louis XV











Für den hundsgemeinen Kerl von der Straße zählen natürlich auch die Details. Zum Beispiel Valet Parking, wie es das nur vor dem Hotel de Paris am Place de Casino in Monaco gibt. Der Mann im Livree öffnet die Tür meines bescheidenen Sixt-Mietwagens, lässt uns aussteigen, wünscht einen guten Appetit und parkt den Mietwagen zwischen Aston Martins und Lamborghinis. Schon beim Beschreiten der Treppe in eines der berühmtesten Hotels der Welt heben sich die Schultern, strafft sich der Rücken. Ein bisschen König sein, ein bisschen essen wie ein König oder wenigstens wie der Fürst von Monaco, Stammgast bei Alain Ducasse, wie man spätestens seit der Hochzeit mit Charlène weiß, die sie angeblich durch gewaltsames Entwenden des Passes zum Hierbleiben zwangen. Alle sagen wir fünf Jahre sollten wir nicht so kleinlich sein und uns Ducasse in Monaco leisten. Wirklich teuer ist es ja nicht, wenn man mittags kommt. Ein Menü von drei Gängen plus Käse, inklusive lokalem Wein und Kaffee, kommt auf 140,- Wir Fooodies sind aber nicht zum Sparen hier und schöpfen aus dem Vollen. Franck Cerruti, seit langem Ducasses Stadthalter im Fürstentum, überspannt den Bogen deutlich, wenn es um den Mangel an Abwechslung auf der Karte geht. Doch eine Weiterentwicklung ist in kleinen Details spürbar. Sie führt zurück. Weniger am Teller, keine Verzierungsleisten, kein Schnickschnack. Espumas oder Liquids hatten ohnehin immer Lokalverbot im Fürstentum. Recht so. Ob die perfekt gemachten Crudités wirklich so gut sind, dass es sie als Amuse Gueule nun schon fast ein halbes Jahrzehnt geben muss - ich weiß es nicht. In der Einfachheit liegt ja angeblich der besondere Reiz, wenn es um die Besten der Besten geht. Ein Teller mit wildem Broccoli, winzigen Tintenfischchen, einer halbrohen Jakobsmuschel (bäh) und einer herrlichen Garnele. Einfallsreich ist das nicht, aber so gut, dass nicht nur der, der zum ersten Mal ein goldenes Besteck in der Hand hält, Freude daran hat. Der Service, immer schon die halbe Miete in Monaco, spaziert unaufhörlich um unseren Tisch, tut das aber mit der gebotenen Dezenz. Nächster Gang: Erdäpfelgnocchi von allerhöchster Zartheitsstufe, mit Kürbis, kleinen Salatblättern und einer bezwingend köstlichen Sauce von der schwarzen Perigordtrüffel. Dazu rohe Scheiben, milimeterdick präzisiert und natürlich von der besten Qualität. So schmecken drei Michelin-Sterne. Was speist Madame an unserem Tisch, die sich gescheiterweise das Gemüse-Menü ausgesucht hat? Risotto mit Artischoken, dazu rohe und frittierte Artischoken, das ganze umkränzt von einem Fond, der aus Essig und dem bitter-säucerlichenRest der Artischoke gewonnen wurde. Geniestreich! Eine buttrige Sauce aus eingelegten Zitronen zum Loup de mer, der vielleicht einige Sekunden zu lange poeliert wurde - zum Hineinknien, so gut. Die Säure macht es, alle großen Köche wissen das. Taube aus den Alpen der Provence mit Entenleber und dem schon bekannten Jus aus Gewürzen und Innereien. Die Leber fantastisch, dazu gedörrte Birne und eine warme Weintraube, die geschält in einem süßen Wein erhitzt wurde, wie wir mutmaßen. Kleine Details werden in dieser perfect world natürlich besonders akribisch notiert: die abgegriffenen Sessellehnen etwa, das zögerliche Nachschenken oder die Spuren am Teppich, als würde ein Tiger hier an den Ruhetagen sein Unwesen treiben. Doch fast alles im kleinen Königsplalast des Kaisers der französischen Küche, vom Wagenpark aus Champagnerwagen, Brotwagen, Käsewagen bis zum Digestifwagen, lässt den Gast vergessen, dass da draußen vor dem Hoteleingang wieder die normale Welt wartet. Von uns aus könnte sie, an diesem späten Nachmittag beim letzten Kaffee und Armagnac, mit ihren Verkehrsstaus zurück nach Nizza und mit ihren Kreditkartenabrechnungen, ruhig ewig warten. (ar)

Freitag, 13. Januar 2012

Über den Gläsern von Nizza, dritter Tag abends
































Dem Flaneur fällt auf, dass Nizza platzt vor interessanten, großen und kleinen Verlockungen der kulinarischen Weise. Doch soviel kann der Mensch nicht essen. Durst hingegen hat er immer wieder, um nicht zu sagen, ununterbrochen. Es muss die Meeresluft sein. Auf der Suche nach einer Bar à Vins allerdings verzweifeln wir. Es muss irgendwo welche geben, aber keine stellt sich in unseren Spazierweg und ruft: Betrete mich. In den diversen Caves à Degustation kann man gerade mal ein Glas probieren, aber wird doch eher als Kunde gesehen und nicht als Gast, was soviel bedeutet wie: Zahlen Sie und gehen Sie. Somit ist der Trinker auf sein Improvisationstalent angewiesen, welches ohnehin ständigem Trainings bedarf, um einmal nicht im lebensentscheidenden Fall verkümmert zu versagen. Im Caviarhouse in der Nähe der Promenade besorgen wir uns eine Flasche Taittinger Rosé plus ein paar Plastikbecherchen, die nicht viel größer sind als ein Fingerhut. Das ganze in der Spätsonne mit Meeresblick. Fantastisch. Sprudel aus Plastikbehältnissen hatte ich zuletzt auf der Wiese neben dem Gymnasium. Es war allerdings Hochrieglsekt und kein Champagner. Ein guter Wind weht uns kurze Zeit später in ein Geschäft, aus dessen Innerem es verdächtig lustig schallt. Die Bar heißt Cave 35 und die Stimmung ist alles andere als im Keller. Junge Leute sprechen dem Wein und dem Champagner zu und pflegen darüberhinaus das Zwischenmenschliche. Professionell die Auswahl an glasweise veröffentlichten Weinen, ein bisschen Provence, ein bisschen Champagne, etwas Burgund und einiges aus Bordeaux. Der rote Chassagne Montrachet kommt vorschriftsmäßig kühl, was mir gefällt. Die Weine machen nicht viel her, aber Vernügen, worauf es an einem solchen Ort ja ankommen soll. Und dann das Lustige: Der eine der beiden Betreiber der Bar erzählt mir, er hätte die Idee einer gut gelaunten Weinbar mit kleinen Happen ausgerechnet aus Wien, von einem Laden neben dem Stephansdom. Ich tippe auf Wein&Co. Es gibt auch eine kleine Karte, wo Pasteten, Räucherlachs, Würste, Käse warm oder kalt und so weiter angeboten werden. Man will ja nicht verhungern beim Stillen des Durstes. Unser Käseteller allerdings hätte in Wien keine Chance. Ein paar gut ausgesuchte Stücke, aber dann das Ganze mit getrüffeltem Balsamico verunstaltet. Getrüffelter Balsamico? Ja, wenn ich es sage! Die Pastete aber ist immerhin recht okay. Noch ein Glas, gut eingeschenkt. Irgendeine Geschichte war da, die ich Ihnen noch erzählen wollte. Sie fällt mir nicht mehr ein, schade, denn sie war sehr komisch. Immer fallen dir an der Theke Sachen ein, die du spaßig findest, und am nächsten Tag sind sie weg. Zwei ausgewählt hübsche Damen fotografieren sich gegenseitig mit ihren Handys, die Serviererin des Lokals hat Probleme beim Öffnen einer Sektflasche. Aber das ist nicht die Geschichte. Vielleicht fällt sie mir ja noch ein, dann erzähle ich sie Ihnen. Und gerade fällt sie mir ein: Durch die Luke zur Küche beobachten wir den Kombüsenjungen, der ein rotes T-Shirt trägt mit der Aufschrifft: Calif Ornia. Wir denken natürlich, dass es sich bei dem Koch, der dieses T-Shirt trägt, um einen echten Kalifen handelt, der hier nur zum Spaß arbeitet, weil ihm den ganzen Tag fad ist in seinem Kalifat. Dann trinken wir noch einen Champagner. Der Kalif ist natürlich der geheime Besitzer des Ladens und er plant von Nizza aus, die Welt mit einer Kette von Cave 35 zu überziehen, mit einem Trüffelöl speienden Bohrturm als Logo. Das war jetzt, glaube ich, die Geschichte. Vielleicht hätte ich sie doch nicht erzählen sollen.
(ar)

cave 35, Rue de la Buffa 35, 06000 Nice

Donnerstag, 12. Januar 2012

Über den Tellern von Nizza, dritter Tag















Ein Spaziergang durch Nizza, wo Eleganz und Trash recht nahe beinanderliegen, wird immer an der Promenade des Anglais vorbeiführen, beginnen oder enden. Sie ist gewiß eine der schönsten Flaniermeilen Europas, statt Geschäften mit Gucci oder Prada gibt es allerdings nur das tiefe Blaue und die Sonne zu sehen. Scheint sie gerade nicht, setzt sich der Wahlnicoise ins Taxi oder in den Bus und fährt ins ehemalige Wohnhaus von Matisse, wo eine kleine Ausstellung dem großen Maler huldigt. Klein ist sie wirklich. Die wichtigsten Werke stehen nämlich seit einiger Zeit in Paris im Musée d'Orsay. Wie ging denn das? "Wir sind hier in Frankreich," regt es den Taxifahrer auf, "und wenn der kleine König etwas sagt, dann passiert das auch." Der "Petit Roi" ist Monsieur Sarkozy und mein Taxler offenbar keiner seiner Wähler. Tatsächlich ist die Matisse-Exposition etwas pauvre, aber den Besuch allemal wert. Vor allem die Zeichungen. Kultur macht dann hungrig, was ein angenehmer Nebeneffekt ist, wenn man sich zum Beispiel gerade in Südfrankreich aufhält. Im Winter haben viele Restaurants Pause. Man muss nehmen, was da ist. So komme ich auch diesmal nicht in das gehypte L'Aromat, weil es gerade zu ist, dafür zu Christian Plumais L'Universe, ein Veteran der Nizzaer 1-Sterne-Gastronomie mitten in der Stadt. Das Restaurant ist hell, freundlich und komfortabel. Wir kriegen den letzten Tisch zur Mittagszeit. Nicht nur an den sagenhaft günstigen Preisen liegt es wohl, dass dieses Lokal so gut geht. Der Service ist freundlich, entgegenkommend, und nicht ohne Witz. Die Küche enthält sich bei fast jedem Gang modischer Gags, wenn man von einigen asiatischen Zitaten und der unvermeidbaren Jakobsmuschel absieht, zu der ein Blumenkohlpürée gereicht wird, was immerhin Sinn ergibt. Die Amuse Bouches mit Erdäpfel-Trüffel-Suppe sowie einer solchen mit Safran weisen den Küchenchef als jemanden aus, der keine Angst vor akzentuierten Aromen hat. Die Qualität der Langustinos ist okay, ihr ikebana-artiger Auftritt aber nicht ganz schlüssig. Ganz toll eine Suppe, in der ein Stück Foie Gras schwimmt. Der Steinbutt mit kleinen Muscheln und Safran ist dann sehr lobenswert, besonders gelungen aber ist das Kalb mit Bries und Niere. Die Beilagen stimmen, die Saucen sind mehr als nur gut gemacht. Ein Cromesquis mit Roquefort und ein Dessert mit Mandarine und Mandarinensorbet sowie eine Köstlichkeit mit Schokolade und Maroni. Macht 40 Euro und ein paar Zerquetschte. Gute Weine, sehr gute Weine. Wir kommen wieder. (ar)

Über den Tellern von Nizza, zweiter Tag








































Die Sonne scheint. Also nehmen wir den Wagen und fahren hinaus. Gerne genommen wird zum Beispiel die Route Negresco, Promenade des Anglais, bis Colombe d'Or, St. Paul de Vence. Natürlich sind Ihnen beide Adressen bekannt, wenn Sie nicht ohnehin zu den Stammgästen gehören. Das Negresco macht um diese Zeit ANfang Jänner einen etwas gebrechlichen Eindruck, wenn der Vergleich in Anbetracht der vielen betagten Herrschaften, die auf der davor liegenden Promenade die Wärme suchen, erlaubt ist. Die Bar ist zu, das Sternerestaurant ebenfalls, der Service von einer eigenwilligen Geschlepptheit. In der großen Bar spielt eine Dame Jazz und ein paar Lieder und sie tut es mit einer gewissen Gequältheit. Der Kellner verweigert den Service von kleinen Gerichten. Warum? Erfahren wir nicht. Dagegen wirkt eine Wiener Amtsstube wie das Woodstock-Festival. Kommen wir nach St.Paul. Hinter den zahllosen Gallerien mit Pseudokunst, Kunst und Kitsch versteckt sich eines der berühmtesten Dörfer des Südens und der Beitrag des Hotels und Restaurants La Colombe d'Or zu diesem Ruhm darf als bedeutend eingeschätzt werden. Ich sage nur: Yves Montand und Simone Signoret. Wenn Sie die beiden nicht kennen, hören Sie jetzt auf zu lesen und schauen sich eine Folge von CSI oder Dr.House an. Das Essen in der Colombe, das man umringt von wohlhabenden Touristen, einigen Habitués und den Bildern von Picasso oder Miro einnehmen kann, hatte ich bis jetzt als liebenswert mediocre und leicht überteuert im Kopf abgespeichert. Nichts von beidem bei diesem Besuch. Die Preise rechtschaffend fair an einem Ort wie diesem, ein kleiner Aufschlag in einem der berühmtesten Lokale der westlichen Hemisphäre ist erlaubt. Aber das Essen. Selten hatte man delikatere Heringe, köstlichere Blutwürste, raffiniertere Salate und bessere Gemüse als bei den in Schälchen aufgetragenen Hors d'Ouevres nach Art des Hauses, die gelungen die Saison wiederspiegeln. Diese roten Rüben! Diese Bohnen! Nach einem derartigen Ausflug ins Schlaraffenland wäre man eigentlich schon reif für den Digestif, doch schon eilt die gut gelaunte Servicemannschaft herbei und serviert das gefühlte beste Hähnchen aller Zeiten, in einer cremigen Sauce mit Morcheln und nichts als Reis. Du Bueurre, du Buerre! Der Hausbordeaux kostet 30,- die Flasche. Die Fooodies sind begeistert und empfehlen österreichischen Restaurants dringend eine Nachahmung. Die Nachspeisen sind zauberhaft, man weiß allerdings nicht mehr genau, wo man sie hinessen soll. Der Abschluss: Ein mit Pfirsichlikör gemilderter Grappa, eine Portemonnaie-verträgliche Addition. Die armen Künstler, deren Bilder jetzt hunderte Millionen wert sind, sollen zu Lebzeiten ihre Mahlzeiten mit Werken bezahlt haben. Auch ich trage immer ein paar Telefonskribbles mit mir, traue mich am Ende aber dann doch nicht, damit an Stelle meiner Kreditkarte zu bezahlen. (ar)

Freitag, 6. Januar 2012

Über den Tellern von Nizza, erster Tag

















Nizza nach Neujahr. Also während der Rest Europas sich die Schischuhe anzieht. Die Idee ist so gut, dass sie schon vor uns jemand gehabt haben muss. Die Engländer entdeckten die Vorzüge des milden Klimas zur Winterszeit schon vor mehr als einem Jahrhundert. Die Russen waren ebenfalls da. Sie sind es jetzt auch wieder, während die Engländer an der Krise würgen wie die anderen Europäer. In Wien oder Berlin um die Null, an der Cote d'Azur an die 15 Grad, wenn die Sonne scheint sind es zwanzig. Schon am Tag der Ankunft, obwohl es kräftig regnet, reiße ich mir die Jacke vom Leib, als ich vom wunderbar deutsch besprochenen Sixt-Schalter zum Wagen gehe. Erste Anlaufstelle das spannendste Restaurant der Stadt. Es heißt La Miranda und die Spannung liegt in der Tatsache, dass man nie weiß, ob man etwas zu essen bekommen wird oder nicht. Sie haben kein Telefon, kein Internet, keine Kreditkarten. Aber das ist dann ein Triumph, wenn der drahtige Oberkellern auf die Frage, ob ja oder nein, nickt. Bei Dominique Le Stanc, einem altgedienten Sterne-Chef und seiner immer noch bezaubernden Frau gibt es die beste Nizza-Küche für die bescheidene Geldbörse. Das Lokal ist nicht größer als eine Autogaraga, in der ein schmaler Morgan Platz fände. Die Hocker mit rotem Plastikleder sind gefühlte 35 mal 35 cm groß. Auf einer Schiefertafel suchen wir aus. Wunderbare kleine Pizzen als Vorspeise, leuchtend grüne Streifennudeln mit Pesto, Roquette mit Oliven und verteufelt gutem Ricotta. Das Lob der Tripes à la nicoise trage ich seit einiger Zeit mit mir herum wie ein Feuermal, sie seien auch an dieser Stelle noch einmal besungen. Die Sauce aus Wein und Geschmack und Mundgefühl dieser Kutteln sind unübertroffen. Diesmal aber ist es Tete de Veau mit Sauce Gribiche, das Gericht, das ich schon beim letzten Besuch wollte, aber mir vom Nachbarstisch weggeschnappt wurde. Der Maitre des Hauses, der gleichzeitig Ober, Flaschenträger, Tischabräumer und Reservierungsmanager ist (es gibt eine Liste, aber man muss persönlich erscheinen, um sich eintragen zu lassen) weist mich rührenderweise auf den Galerteanteil des Kalbskopfs hin. Man kann ja nie wissen, was der Tourist schon alles gehabt hat und was nicht. Kalbkopf köstlich, Sauce Gribiche ein Gedicht, fast so gut wie bei Benoit in Paris, wo immerhin Gott Ducasse den Küchenchef aussucht. Nachtisch eine regionale Spezialität, eine Tarte aus Mangold und Pinien, sowie Birnen in Rotwein. Es soll noch Platz bleiben fürs Abendessen. Das findet ein paar hundert Meter weiter statt, wo in einem Ecklokal das Petite Maison wohnt. Kultstätte, von einer kurzhaarigen Dame namens Colette geführt. La Petite Maison ist ein bisschen das schicke Teil von Nizza, ein Borchert ohne Schauspieler und Politiker, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Das Essen ist gut, aber nicht so herausragend wie die Preise. Lobenswert die Beignets de courgettes, die Haricot Verts mit Foie Gras und etwas Essig, okay dann der Loup de mer mit frittierten Artischoken. Warum ich für ein Mangosorbet mit Mango gleich einmal 15,- hinlegen muss, würde ich gerne erklärt bekommen, andererseits will ich es nicht so genau wissen. (ar)