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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Freitag, 8. Oktober 2010

Ist Xandi Müller wirklich Kult?





Alexander Müller, gelernter Baumeister und Küchenchef im zweiten Bildungsweg, lernte ich vor Jahren am Naschmarkt kennen, als er Witze, Seitenhiebe und eine Platte mit köstlichem Jabugo herumreichte. Der war nicht selbst gekocht, sondern selbst gekauft. Und kurze Zeit später vertschüste er sich ins Korso zu Reinhard Gerer, um das zu machen, was er eigentlich immer schon machen wollte: kochen. Umtriebig, wie Xandi Müller, wie ihn alle nennen, nun mal ist, kriegte er in den Wiener Esssalons einen ordentlich guten Ruf als Gastkoch, der mit lockeren Sprüchen und lockerer Hand herrliche Knödeln, Beuscheln und Steaks zaubern konnte. Jetzt hat er ein eigenes Lokal. Und es musste genauso sympathisch durch geknallt sein wie sein Patron. Das Stüberl des Ober St.Veiter Tennisclubs. Nun weiß man ja, wie kulinarisch interessiert Tennispieler sind. Ein Schinken-Käse-Toast und ein Ham-And-Eggs, bitte. Und einen Radler. Das macht einen Xandi Müller nicht durchwegs happy und er hält ordentlich dagegen. Ein paar Matches hat er schon gewonnen da oben, in dem köstlichen Retrostüberl mit dem großartigen Blick auf tennisspielende Malocher und die Stadt Wien überhaupt. Seit Neuestem darf er sich mit dem Ehrentitel "Gerers bester Mann" schmücken, eine Art Rittterschlag in der Szene. Und wie kocht Gerers bester Mann? Wirtshausküche pur mit erlesenen Produkten. Das Fleisch vom Höllerschmid, einem der besten Fleischmacher in Niederösterreich. Das Kraut vom Naschmarkt. Alles andere auch. Das Kraut ist ein Weißkraut und Müller macht daraus eine Delikatesse. Klein geschnitten, in Schmalz angebraten, mit dem kräftigen Jus, den man aus den Knochen vom Schwein und dem Schweinsbraten gewinnt, aufgegossen. Herrlich. Unkalkulierbarer Aufwand allerdings. Darauf thront ein Grammelknödel von besonderer Güte, das ganze akkompagniert von einem Schweinebauch, buttrig, knusprig. Der deutsche Kollege Dollase würde vielleicht sagen: ein toller Akkord. Vorher schlürfen wir aus angeschlagenen Segafreddotassen köstliche Stosuppe. Nicken anerkennend beim Genuss des gebackenen Steinpilzes, den Xandi Müller mit Lardo umwickelt. Eine tolle Idee. Dann das Highlight: Best of Beinfleisch mit frischem Kren, dazu eine weitere Segafreddotasse mit dem unglaublichen Geschmackskonzentrat einer fetten Bouillon, wie es sie höchstens noch irgendwo zuhause bei Muttern gibt, wie sie in Wiens Gasthäusern längst ausgestorben ist. Hauchdünnes Knoblauchbrot. Markscheibe. So gehört sich's. Intelligent kontrastiert von Safrankohlrüben. Suchtfaktor hoch. Die Zwetschkenknödel. Dazu eine Geschmacksverdichtung aus kiloweise Zwetschken, halbflüssig in ein Tässchen gedrängt. Und wenn Xandi Müller mit seiner wie ein Barrett sitzenden Kochhaube zu den Tischen geht und den Gästen sagt, was sie heute zu essen haben, was nicht immer das sein muss, was sie sich vorgestellt haben, verlässt das Geschehen den Boden des Wirklichen und Üblichen. Dann ist man in einem Disneyfilm mit Gerard Depardieu und sagt: will ich jetzt öfter hingehen. (ar)

Küche am Berg
Jennerplatz 25,
1130 Wien
Tel.: +43 1 879 74 85

4 Kommentare:

  1. ich als vielzuselten-tennisspielerin muss mich natürlich sofort wehren gegen die generalattacke. und freue mich gleichzeitig über xandi müller bei der nahen konkurrenz. in unserem club gibt's nämlich das hawaiischnitzel und die in schlechtem balsamischen gebräu ertränkte schlechte mozzarella. also nach dem spiel rüberhuschen.

    und gestern eine wunderbar konzentrierte fritattensuppe in rudis beisl genossen, wo ich zur kollegin bemerkt habe, dass diese art suppen ausgestorben seinen.

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  2. Auch ich spielte in meinem früheren Leben Tennis. Meine Vorhand war gefürchtet. Als Tennisracket benutzte ich die Schinkenkäsetoasts, die es am Perchtoldsdorfer Tennisbuffet gab. Sie waren hart und es gelang mir immer wieder einer meiner gefürchteten Slices mit ihnen.

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  3. Nach so einem Menü muss ja der Magen völlig fertig sein. Da bräuchte es dann schon einen Kaffee, einen Schnaps und eine Zigarre zu dessen Beruhigung. Bitte um Info, wie die's mit mit dem Rauchen halten. Danke.

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  4. Verehrter Herr Doktor Peer, Kaffee und Schnaps gibt es. Und der Grund, warum ich damals nach dem Essen keine Esplendidos oder auch keine Siglio Sechs oder was im großen Schweinsbratenformat geraucht habe, ist, dass ich meinen Reisehumidor daheim vergessen hatte. Bitte sehr ...

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