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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Dienstag, 11. Oktober 2011

Der Schankbursch des Jahrzehnts

Alex und Paul, versierte Kenner der Wiener Feinkosterei, weisen mich darauf hin: Jörg Wörther kocht in einer kleinen Bio-City-Osteria in der Annagasse. Wörther kocht? Sofort sage ich meine Verabredungen mit Charlene de Monaco und Herzogin Kate ab und hetze hin. Beim Lokaleingang das Schild "Der Koch des Jahrzehnts kocht bei uns". Er macht es noch zirka eine Woche, also warten Sie besser nicht zulange. Das Lokal ist irgendwie lustig, denn es schaut nach nichts aus und gleichzeitig ist es so gemütlich, dass keiner der Gäste nur auf ein Glas oder einen Espresso verweilen möchte. Bio ist das Zauberwort, eigentlich ein Begriff, der seine Magie längst eingebüßt hat. Prosciuttoschneidemaschine und Schinkenvitrine (Mangalitza, what else). Wie kommt Wörther da her, wo es wirklich nur eine kleine Kochstelle hinter der Schank und sonst wenig gibt, fragen wir uns und die Wirtin mit ihrem sympathisch unwienerischen Akzent. Bio-Guru Lampert habe etwas damit zu tun, so die Frau Wirtin, Stammgast und ein guter Bekannter des genialen und ewig verkannten Jörg aus Salzburg. Der hat offenbar eine solche Geilheit aufs Sautieren und Schmoren, dass es ihm wurscht ist wo. Wobei: dieses Lokal ist sympathischer als andere Wiener Locations, wo Jörg Wörther mangels eigenem Wirtshauses in den letzten Jahren gekocht hat. Es gibt exzellenten Bio-Rosé-Sekt, der besser schmeckt als fast jeder Champagner. Dann der erste Teller, ein Attersee-Saibling mit Gurken, der ein wenig anämisch daher schwimmt. Die kleinen Attersee-Saiblinge finde ich mit traditioneller Knusperkruste am besten, aber damit bin ich offenbar allein. Zwiebelsuppe in einer bezwingend guten Variante, nämlich mit dem Aroma des Zwiebels, nicht aber seinem Inlay, also weder rustikal, aber auch nicht feingeschissen. Genial. Leider ein inflationär gebrauchtes Kompliment. Die hauchdünne Speckscheibe, die in dieser Zwiebelsuppe paddelt und dem Suppenlöffel keinen Widerstand bietet, die muss einer einmal zusammenbraten. Nach dem Waller könnte ich dann aufhören und mich erschießen, so gut ist der. Auf der Karte stand irgendwas von Spinat, wir kriegen eine Kartoffelscheibe und einen Hauch Lauch und es reicht, um Wörthers Gemüsekochkunst zu würdigen. Dann Bries und Kalbsbackerl auf Linsen, die mit Kamille (?) gewürzt sind. Bries können sie ja in Österreich nicht so wirklich, Wörther kann es. Die Kohlrabi zum folgenden Gang empfinde ich als etwas ländlich grob, wiewohl sie kenntnisreich in Obers gegart wurden. Das kleine Stück vom im Wacholder gebratenen Reh dafür wieder fast vollkommen. Dann der Schokoladepudding - warum hat Mutter uns das früher nicht serviert, als wir Kinder waren? Nicht darüber nachdenken. (ar)


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