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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Samstag, 15. Oktober 2011

Mutter, du schmeckst mir

Besuch auf der Terra Madre, der Slow-Food-Messe im Wiener Rathaus: Danach wird man nie mehr wieder im Supermarkt einkaufen können. Konnte ich auch vorher schon nicht. Supermärkte sind da für Glühbirnen, Katzenfutter und Klopapier. Rest kann man weglassen. Die Glühbirnen hat die EU verboten, Katze habe ich keine. Auf der Terra Madre stürze ich mich gleich auf den Stand der Familie Wetter. Durst. Das gerade laufende Jahr brachte eine hervorragende Apfelsafternte. Boskop, Cox Orange - wie unglaublich gut die sortenreinen Säfte schmecken. Nachher Birne. Aus Deutschland kommt die Champagner Bratbirne. Brut. Im Glas ein feinnervig gesponnenes Birnenaroma, Champagner in der Nase, trockene Birne am Gaumen. Gleich daneben der Stand mit dem in Tannenrinde verpackten Schafskäse aus Rumänien. Die Frau, die dahinter steht, tut sich mit dem Lächeln in die Kameras schwer, sie sei Rumänin, da lächle man nicht soviel. Der Käse ist fantastisch und der Stand um die Mittagszeit leergeräumt. In einem Kuppensaal weiter hinten darf man sich einem Geschmacks-Blindtest unterziehen. Ich setze die Schlafmaske auf, die ich von Langstreckenflügen kenne, und bekomme etwas knuspriges in die Hand. Tastsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn. Es schmeckt trocken und fad, erinnert an ein bestimmtes Korn. Die freundliche Dame, die mich betreut, sagt Dinkel. Außerdem seien da noch Kräuter drin, Basilikum und so. Ich scheitere. Probe Nummer 2 bringt Ketchup, also Tomatenaroma, Süße, etwas Umami, das schaffe ich gerade. Es wird besser. Probe 3 und 4 habe ich vergessen. Probe Fünf fühlt sich in der Hand an wie Harribo, riecht irgendwie nach Tee und erweist sich beim Kauen und Schmecken als gelierter Ingwer. Gut abgeschnitten, sagt die freundliche Dame. Ist das echt oder bloß zum Trost? Die nächsten Proben werden wieder mit offenen Augen veranstaltet. Die Wurst vom pannonischen Steppenrind. Leberkäse leider aus. Im Arkadenhof des Rathauses treffe ich Herrn Satek, gemeinsam begeben wir uns auf Cross-Over-Tasting. Das heißt man wandert von Stand zu Stand, bewaffnet mit viel Kleingeld und einem Weinglas. Hier der Wein von Sepp Moser, großartig der unfiltrierte Grüne Veltliner, da das Rind aus dem Waldviertel, ein Stück am Spieß gebraten, große Fleischeslust, es tropft der Fleischsaft auf Hemd und Boden. Ein paar Schritte weiter das Grubenkraut aus der Steiermark. Kraut gärt im eigenen Saft in einer Erdgrube. Handwerkliches Superwissen ist nötig, damit da keine Pletsch'n, sondern knackig, hocharomatisches Kraut herauskommt, dass an diesem Stand in Miniportionen in  einem Papierstanitzel verteilt wird. Eine Spur Speck, etwas Kümmel, das ist Poweressen pur. Mit der zweiten Portion Kraut wandern wir zum Speckstand. Jetzt ein Brot mit Speck aus Oberösterreich, der fast nur aus blütenweißem Fett besteht. Speckbrot und Grubenkraut, besser geht es nicht. Hinüber zum Stand des Fischzüchters Brauchl, der aus einer zwei Jahre lang gewachsenen Bergforelle Sushis macht. Dann ein Schnecken-Lardo-Spieß von Gugumuck. "Oh, they have snails," sagt das amerikanische Pärchen. Und schon leisten sie den anderen Schneckenessern mit einem Papprtellerchen Gesellschaft. Jetzt vielleicht noch etwas Käse. Surer Kees aus dem Montafon. Die Milch in Holzfässern mit der Säure versorgt. Ein aromatischer Wahnsinn, die ganze Standlreihe badet in dem Geruch. Daneben der kahlköpfe Butterbauer Strasser aus Oberösterreich. Er schneidet von einem Zwanzig-Kilo-Ziegel Rohmilchbutter Scheiben für dankbare Kundinnen, die demnächst ratlos im Supermarkt vorm Butterregal stehen werden. Es gibt aber kein Zurück. Bratelfett, perfekte Mischung 50:50 aus Saft und Schmalz, hat Strasser auch. Alles eingepackt. Der Abend geht dem Ende zu, noch schnell auf ein Glas zu Sepp Moser, dann zufrieden nach Hause auf das beste Brot mit Wurst vom Steppennrind und Rohmilchbutter aller Zeiten. (ar)

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