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Contributors: Alexander Rabl (Text) +++ Stefan Fuhrer (Layout)+++
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Sonntag, 23. September 2012

Keine Bären, dafür richtig gute Steaks

Bären habe ich in den kanadischen Rocky Mountains keine gesehen, dafür eine Menge Warnschilder vor ihnen. Ich denke mir, so blöd sind die Tiere dann auch nicht. Irgendjemand muss ihnen gezwitschert haben, dass Rabl in der Gegend ist und so ziemlich jeden Bewohner des Nationalparks aufisst, sofern es sich nicht um Touristen, Taxifahrer und das wunderbare Personal des Posthotels in Lake Louise handelt. Dass die Bären von ihren eigenen Futter Mensch als Futter verwendet werden, wollten sie dann doch nicht haben. Dabei eigentlich unglaublich blöde Viecher. Die Generalbevollmächtigte des Nationaloparks in öffentlichen Angelegenheiten erklärt, dass man Überführungen über den Highway gebaut habe vor ein paar Jahren, um Bär und Rentier den Wildwechsel zu erleichtern. Doch die blöden Grizzlys brauchten fünf Jahre, um sich endlich drüber zu trauen. Erzähle ich das meinen Stoffteddys zu Hause, lachen sich die tot, also lass ich's lieber und schreibe es hier auf. Die Teddys können keine Tastatur bedienen mit ihren Pfoten. Statt Bären sah ich allerdings eine Menge anderer Herrschaften. Lustige Squirrels, die sich beim Futtern fotografieren ließen. Kulinarisch geben sie wenig her. Die Bisons mit ihren liebenswert tiefliegenden Augen und ihren kraushaarigen Fettbuckeln umso lieber. Die Kanadier sagen "Beis'n" und das klingt wie eine verbale Streicheleinheit für die wilden Tiere, die sich nicht so einfach was gefallen lassen. Mir gefallen sie. Die Indianer lebten mit den Beis'ns in kind of einer Symbiose. Wobei die Bisons weniger von dieser Beziehung profitierten als die Indianer, First Nations, wie man sie heutzutage politisch korrekt bezeichnet. Die Jagdmethoden waren diffizil. In der Prärie südlich von Kanada besuche ich einen Ort, der einen göttlichen Namen trägt: Head Smashed In Buffalo Jump. Dort sprangen die Bisons, im Altweibersommer von den First Nations hingelockt, blindlings über eine Klippe in den Tod. Sie dienten der indianischen Selbstversorgung während der Wintermonate. Pemmikan klingt zum Beispiel gut, es ist aus dem Knochenmark der Bisons und einer Beere mit den Namen Saskatoon, die nur in Kanada wächst und die man sich als geschmackliche Fusion zwischen Preiselbeere und Heidelbeere vorstellen kann. Die Bisonjagd zählte zu den saisonalen Höhepunkten im Leben der First Nations, also Sonnwendfeier, Weihnachten und Silvesterparty in einem. Eines Tages schaute ein kleiner Bub von unten zu, wie die Bisons über die Klippe in den Tod sprangen. Sein Kopf wurde kurze Zeit später zwischen den toten Bisons gefunden, weshalb der Ort den Namen Head Smashed In trägt. Die Indianer lieben, wie wir seit "Dances With Wolves" wissen, die deskriptive Namensgebung. Warum es übrigens Buffulo-Jump heißt und nicht Bison-Jump, ist nicht ganz klar. Es kam im Laufe der Jahrhunderte zu Namensverwechslungen, was uns jetzt nicht weiter interessieren muss. Gutes Bisonfleisch kommt zum Beispiel von Thomas Ackermann, einem immigrierten Schweizer. Es ist herrlich zart, vollkommen fettfrei und delikat. Ich esse ein Tenderloin im Hotel meiner Wahl in Lake Louis, dem Posthotel, das von André und George Schwarz mit unvergleichlicher Professionalität und Herzlichkeit geführt wird. Der Weinkeller der Post ist weltweit bekannt, der Wine Spectator hat ihn ausgiebig gewürdigt. 24.000 Flaschen lagern da, eine enorme Auswahl und wenn ich die Namen Masseto und Petrus lese, bedaure ich wieder einmal, dass ich nicht reich bin. Ein guter Kalifornier oder ein Fläschchen Grand Puy Lacoste tun es auch. Der Koch in der Post ist Schweizer und kennt sich aus. Keine Spielereien, Schäume nur im dezenten Einsatz. Durchaus grüne Fisolen und Braterdäpfeln zum perfekt gebratenen Steak, eine dunkle und routiniert abgeschmeckte Bordeauxsauce zum Bison-Tenderoin. So muss es sein. An den Fleischverzehr in den Rockies gewöhne ich mich rasch. Am nächsten Tag Rentier, schließlich das Alberta Dry Agend & Something Beef Tenderloin mit einer Sauce aus Rotwein und Brie. Did you enjoy your meal? Thank you, it was delicious! Die allumfassende Freundlichkeit, der entspannte Umgang miteinander, welche nicht nur die Mitarbeiter der Post in Lake Louise prägen, werde ich in nächster Zeit wohl vermissen müssen. Steaks, wie ich sie in den letzten Tageb essen durfte, leider auch.
(ar)

4 Kommentare:

  1. Ein schöner, wenngleich beunruhigender Beitrag. Dieser Bison-Massentod, von dem hier berichtet wird, mag so gar nicht in mein tenderloinzartes Bild der First Nation Mentality passen. Winnetou, in keinem seiner vielen Filme, hat auch nur ein einziges Mal selbst den Ansatz des Schattens, geworfen von auch nur einem Funken einer derartigen Bösartigkeit gezeigt und der war schliesslich der Häuptling von allen.

    Viel eher mag ich mich an den Gedanken eines bisonalen Massensuizids gewöhnen. Das kennt man ja auch von den Lemmingen und es wäre demnach nichts Neues in der Welt. Klar, dass Lemminge je zu erweitertem Suizid, also der Mitnahme eines Kindes, fähig gewesen wären, habe ich auch noch nicht gehört, das muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass sie es nicht versucht hätten. Doch Lemminge sind da wohl nicht schwer genug. Die können BMI-mässig ja nicht einmal Teddies das Wasser reichen.

    In Korea, im nichtkommunistischen Korea, hat man die U-Bahn-Einstiegsrampen übrigens verglast und mit Türen versehen, die sich nur öffnen, wenn der Zug einfährt. Solcherart wird vermieden, dass sich die Koreaner massenhaft vor den Zug werfen und quasi eine Abkürzung zur „Endstation“ nehmen. Dies sei, so hörte ich, eine Konsequenz des radikal sich entwickelt habenden Neoliberalismus in diesem Lande, einhergehend mit einem unfassbarem Mass an Selbstausbeutung. Diese wiederum sei in ihren Grundzügen auch bei uns zu bemerken und mir fiel nicht viel ein, was dieser Einschätzung entgegen zu setzen wäre.

    Vielleicht, dass es eines Tages eine U1-Station mit dem Namen „Head Smashed In Neoliberalismus“ gibt, wer weiss.

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  2. Hallo Andreas, danke für den wunderschönen Kommentar. Es ist so, dass die First Nations vulgo Indianer ja über Jahrtausende keine andere Möglichkeit hatten, den Bisons nahezu kommen, als sie auf diese sehr schwierige und gut geplante Aktion sozusagen per Sturz ins Nichts zu schlachten. Von Massentod kann man eh in Anbetracht der Größe einer Bisonherde (und eines Indinanerstammes) nicht reden. Faszinierend war, zu hören und zu sehen (im UNESCO-Welterbe Head-Smashed-In ... gibt es Museum, Kino, usw.), wie der gesamte Stamm von den jungen bis zu den älteren Stammesmitgliedern sich an der Jagd beteiligte. Man muss wissen, dass die Existenz des Bisons allein das Überleben der Indianer während der harten Winzerzeit ermöglichte. In Massen geschlachtet und nahezu ausgerottet wurden die Bisons dann übrigens erst von den eingewanderten Weißen im 19. Jahrhundert. Nicht weil sie sie zum Überleben brauchten, sondern wegen der Hörner und der Felle. Die wirklich großen Massenvernichtungen bleiben leider immer noch unser Fach.

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  3. Sehr interessant und lehrreich. Eine höchst elaborierte Art der Schlachtung. Und du hast völlig recht. Die Massenschlachtungen nach westlicher Art sind eine ganz andere Geschichte. Es gibt eben doch ein Unterschied zwischen Winnetou und der Realität. Bist du denn noch dort?

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