





















Im Gegensatz zum Hummer, für den jetzt in der Vorweihnachtszeit horrende Summen verlangt werden, die den roten Mantel des kleinen Weihnachtsmannes erblassen lassen, haben Austern jetzt wirklich Saison. Im Binnenland Österreich haben sich die Muscheln, denen man so viele Wirkungen nachsagt, nicht wirklich durchgesetzt. Aber es wird langsam. Angeblich muss man sich ans Austernessen gewöhnen, erzählen wissende Esser. Lächerlich. Entweder es schmeckt gleich oder man lässt es. Wenn man mir erzählen würde, ich könnte mich sogar an Hundefutter gewöhnen, wenn ich einfach ein paar Dosen auslöffeln würde, würde ich das trotzdem nicht tun. Das Glück: mir haben die glitschigen kalten Dinger gleich beim ersten Versuch geschmeckt. Dutzende Dutzend später kann ich sagen, dass sie immer noch schmecken. Allerdings hat sich ein gewisser Widerwillen gegen die Auster außerhalb ihrer Heimat gebildet. Austern schmecken am besten frisch aus dem Meer, also an den Küsten des Atlantiks oder der Nordsee. Austern in Cancale in der Bretagne, keine älter als ein paar Stunden, purer Duft nach Meer, der Geschmack leicht und frisch, gegessen von einem Pappteller, das Dutzend um zwei Euro, das ist es. Das Meerwasser sabbert in die Hemdsärmeln, dann hinauf die Stiegen zum erstbesten Café und einen halben Liter Cidre. Doch, Cidre passt sehr gut zu Austern. Bei uns trinken sie noch Champagner, denn das Austern schlürfen ist für den Österreicher nicht nur (hoffentlich) ein genussreicher, sondern vor allem ein festlicher Akt. Muss er auch sein, bei den Preisen. In Wien, aber auch in Salzburg und in ehrgeizigen Restaurants am Land findet man hauptsächlich Fines de Claires, das sind Austern, die ziemlich oft geklärt wurden, was ihre Qualität bestimmt. Selten findet die flache und teurere Belon-Austern zu uns, meistens ist es die Sorte Portugaises, von der es wiederum mehrere Größen gibt. Französische Freunde lächeln milde, wenn sie die Austernstände in Wien oder das Angebot in den einschlägigen Delikatessengeschäften besichtigen. In Österreich hat man eine Vorliebe für große fleischige Austern, während die Franzosen bei sich zuhause eher die kleinen, filigranen Muscheln bevorzugen. Finesse statt Grobschlächtigkeit. In Frankreich bestellt man gerne Portugaises No 4, die sind auch meine Favoriten. In den letzten Jahren fällt auf, dass für Austern das Umgekehrte von dem gilt, was bei Mobiltelefonen gefragt ist. Letztere werden immer kleiner, während erstere immer größer werden. Die State-of-the-Art-Austern kommt von Herrn Gillardeau aus Frankreich, nachdem eine eigene Züchtung bekannt ist. Kaum ein Küchenchef, kaum ein Fischhändler, der meint, auf Gillardeaus Muscheln verzichten zu können. Die Gillardeau-Austern kommen aus der Gegend von LaRochelle. Eine bestimmte Algensorte lässt sie besonders groß und fleischig werden. Gillardeaus werden besonders oft gereinigt, was ihr Aroma klarer hervortreten lässt, manche sagen aber auch langweilig dazu. Irgendwann kam einer auf die Idee, Gillardeau-Austern mit grünem Apfel zu kombinieren. Seither tummeln sich auf den Tellern der Meisterköche Austern und Äpfel in gemeinsamer Zubereitung. Das kann ganz köstlich schmecken. Ein gewisser „Wear-Out“-Effekt ist dieser Kombination aber zweifellos zu eigen. Warum die Gillardeau-Auster so gerne gedämpft oder gekocht wird? Eine Erklärung könnte lauten, dass sie zum Schlürfen einfach zu groß geraten ist. Nur der protzende Oligarch haut sich vor dem Essen ein Dutzend dieser Jurassic-Park-Austern rein, die vielleicht wertvoller, aber sicher nicht delikater sind als ihre kleineren Verwandten aus der Bretagne, aus Irland oder aus Sylt. Gegart wird das Austernaroma der Gillardeau verstärkt, was es in manchen Fällen penetrant wirken lässt. Es bleibt noch lange am Gaumen, zu lange. Die Gillardeau-Auster ist in den Restaurants heute, was das Geliermittel Xantax vor fünf Jahren war - in den meisten Fällen verzichtbar.(ar)
La Merenda, 4 rue raoul bosio (ex rue de la terrasse), 06000 Nice


Ganz genau kenne ich mich immer noch nicht aus, aber weiß inzwischen, dass es verschiedene Bienenvölker gibt, von denen es abhängt, ob der Honig eher Blüten- oder Waldlastig wird. Man kann diese, auch das weiß ich, in mehreren Bienenstöcken nebeneinander platzieren und dennoch wird das Ergebnis, also die Ernte, vollkommen unterschiedlich sein: in Farbe, Geruch, Geschmack und Herkunft. Blütenhonig ist nicht so begehrt wie Waldhonig. Der Nektar der Blüten verfestigt sich nämlich bald im Glas und wer will sich schon harte süße Kristalle aufs Buttersemmerl schmieren. Während der Waldhonig länger im Glas seine zähflüssige Konsistenz behält und also auch nach Jahren noch eine Delikatesse darstellt, die nichts anderes ist als ein reines Produkt der Natur. Unter harter Menschenarbeit hergestellt. Kennen Sie eine Honigschleuder? Sie wird manuell betrieben und erinnert ein bisschen an die alten Waschmaschinen, die, wenn der Schleudergang eingelegt war, durch die Wucht der Umdrehung in Bewegung kamen und anfingen, durchs Badezimmer oder die Waschküche zu wandern. Zumindest war das früher so. Auch die Honigschleuder muss von mehreren Personen festgehalten werden, damit sie während des Schleuderns nicht abhebt. Diese kauern auf der Schleuder und hindern sie daran, sich nach Lust und Laune einmal hierhin und einmal dorthin zu bewegen. Schließlich muss der Honig geradelienig aus einer kleinen Öffnung ins große Gebinde rinnen und da wäre eine wandernde Honigschleuder hinderlich. Honig ist harte Arbeit und das nicht nur für die Bienen. Zuerst ist da der Imker, der aussieht wie einer der todesmutigen Techniker in Fokushima, und der die Honigwaben aus dem Stock in einen geschlossenen Raum transportiert und je nach Laune der Bienen deren Stichen trotzdem irgendwo am Körper ausgesetzt ist. Geschlossener Raum deshalb, weil die Bienen es ziemlich ärgerlich finden, dass ihre Jahresernte auf einmal vor ihren Augen entfernt wird und vor Ärger auf ganz dumme Gedanken kommen: stechen zum Beispiel. Die Biene stirbt daran. Dann muss das Wachs mit einer kleinen Gabel von den Waben entfernt werden. Schließlich geht es in die Schleuder. Ich habe heute gelernt, wie ich den Oldtimer, der leider nicht in meiner Garage steht (ich besitze auch keine Garage), per Kurbel anwerfen kann. Anfangs geht es zäh, doch dann hilft die Fliekraft der Waben in der Schleuder dem Mann an der Kurbel. Dennoch ist das ein Sport, der bei regelmäßiger Ausübung zu einem Popeye-artigen rechten Oberarm führen könnte. Doch ich mache mir keine übertriebenen Sorgen, dass das bei mir der Fall sein wird. Kommen wir zum Honig. Frisch geschleuderter Honig ist eine Köstlichkeit. Er verströmt die Süße und Frische der Blüte von allerlei Gewächsen und er sieht verteufelt gut aus, wie er da zuerst zäh und dann immer üppiger aus der Honigschleuder rinnt. Je nach Blütenart verändert sich auch seine Farbe. Lindenblütenhonig zum Beispiel ist fast weiß und macht in den anderen Honig, der von anderen Blüten stammt, ein Muster, wie es der beste Patissier nicht zustande brächte. Bitter ist es für dem Jäger nach dem Süßen, wenn der Honig in der Wabe festsitzt. Da kann man dann nichts machen. Die Ernte erinnert in diesem Fall an den Mengenertrag eines LePin oder Pingus, ohne dass der Bienenstockbesitzer auch nur im Entferntesten auf eine mit den erwähnten vergleichbare Preissteigerung hoffen könnte. Die Waben mit dem Festen Honig gehen damit zurück an die Bienen, die sie bis zum letzten Tropfen ausnehmen. Vielleicht haben manche Bienenvölker einfach eine Idee gefunden, wie man den wertvollen Honig so verschließt in der Wabe, dass er beim Schleudern nicht herauskommt. Es wäre ein evolutionärer Vorteil. Denn eines muss man schon sagen, wenn man die fleißigen Bienen beobachtet, wie sie verwirrt um den Imker herumfliegen, der sie soeben um den Lohn ihrer Arbeit erleichtert. (Sie bekommen später einmal Zucker als Nahrung, damit einige von ihnen überleben.) Man muss also sagen, dass das alte Sprichwort schon seine Gültigkeit hat, dass da besagt, dass wer zuviel arbeitet, zuwenig Zeit hat zum Geld verdienen. Über das lustvolle Leben der Drohnen berichten wir ein anderes Mal. Nur soviel: ein Leben voller Sex und dann aus.